Science-Fiction-Filme sind manchmal nicht die richtige Wahl, wenn man sein Date ins Kino einladen möchte. Wenn man den Klischees glaubt, dann stehen Frauen eher auf romantische Komödien oder Dramen, während die Männerwelt damit weniger anfangen kann und es lieber hat, wenn es ordentlich rummst und knallt, was die Damenwelt eher nicht so gern hat. Aber kann man nicht auch beides vereinen?
Ob sich diese Frage Drehbuchautor Jon Spaihts in seinem ersten Entwurf, der bereits seit 2007 die Runde machte, auch gestellt hat, ist unklar. Das Konzept schien reizvoll. Man bräuchte nur eine Handvoll Darsteller und könnte gleichzeitig das Weltall als endlosen Raum zeigen, wie auch die klaustrophobische Enge eines riesigen Raumschiffes, auf dem man alleine ist. Aber genau diese Kombination machte es dem Drehbuch schwer, ein produzierendes Studio zu finden, da man zwar nur wenige Schauspieler bräuchte, aber gleichzeitig ein großes Raumschiff entwerfen müsste. Es dauerte mehrere Jahre, bis bei dem vom Studio Sony/Columbia Pictures mit 110 Millionen Dollar budgetierten Film im September 2015 die erste Klappe fiel.
Das Raumschiff Avalon ist auf dem Weg zum Planeten Homestead II, einem Kolonie-Planeten, auf dem die Menschen sich quasi eine zweite Erde geschaffen haben. An Bord des riesigen, luxuriösen Schiffes befinden sich 248 Crew-Mitglieder und 5000 Passagiere. Alle sind in Stasis in Hyperschlaf-Kammern, da die Reise von der Erde nach Homestead II 120 Jahre dauert. Der Bordcomputer steuert das Schiff mit halber Lichtgeschwindigkeit durch das All, als es durch einen Asteroidensturm fliegen muss. Das Schutzschild des Schiffes hält die kleinen Brocken ab, aber ein großer Felsbrocken trifft den Schild ebenfalls. Das löst eine Fehlfunktion aus, wodurch einer der Passagiere aus dem Hyperschlaf erwacht.
Jim Preston (Chris Pratt) ist zunächst etwas desorientiert, findet aber schnell heraus, dass etwas schief gelaufen ist. Er ist der einzige Mensch an Bord des Schiffes der wach ist und die Reise nach Homestead II dauert noch 90 Jahre. Da er als Maschinenbauingenieur technische Fähigkeiten mitbringt, versucht er, seine Stasiskammer zu reparieren, um in den Hyperschlaf zurückzukehren. Das gelingt ihm aber nicht und alle Versuche, in das Quartier der Crew zu kommen, um diese zu wecken, schlagen ebenfalls fehl. So findet sich Preston langsam aber sicher damit ab, dass er den Rest seines Lebens alleine auf der Avalon verbringen wird. Sein einziger Ansprechpartner ist Arthur (Michael Sheen), ein Roboterbarkeeper.
Nachdem er über ein Jahr bereits alleine auf der Avalon verbracht hat, entdeckt Jim in einer der Stasiskammern Aurora Lane (Jennifer Lawrence). Für ihn ist es Liebe auf den ersten Blick, aber er hadert mit sich. Soll er sie aufwecken, damit er nicht mehr alleine ist und sie damit ebenfalls dazu verdammen, den Rest ihres Lebens als Reisende auf der Avalon zu verbringen? Schließlich weckt er sie doch auf, verheimlicht ihr aber, dass er es getan hat. Sie geht davon aus, dass es sich um eine Fehlfunktion wie bei Jims Kammer handelt. Langsam kommen sich die beiden näher und werden schließlich ein Paar. Doch auf dem Schiff kommt es immer häufiger zu Systemausfällen, deren Grund das Überleben aller Menschen an Bord gefährdet.
Die folgenden kursiven Absätze enthalten Spoiler.
Jim vertraut Arthur an, dass er Aurora geweckt hat und bittet ihn, das für sich zu behalten. Durch ein Missverständnis erzählt Arthur es ihr aber doch und Aurora wendet sich wütend und verzweifelt von Jim ab. Eines Tages erwacht aber ein weiterer Mensch aus dem Hyperschlaf. Crew-Mitglied Gus Mancuso (Laurence Fishburne) stellt schnell fest, dass mit dem Schiff etwas nicht stimmt und macht sich mit Aurora und Jim daran, den Fehler zu lokalisieren. Durch die Fehlfunktion seiner Stasiskammer ist Gus allerdings gesundheitlich schwer angeschlagen und stirbt recht schnell an multiplem Organversagen. Aurora und Jim müssen nun, ob sie wollen oder nicht, zusammenarbeiten. Sie finden heraus, dass bei dem Asteroidensturm damals ein kleiner Felsbrocken die Außenwand des Schiffes durchschlagen und den Computer des Fusionsreaktors zerstört hat. Wenn sie diesen nicht reparieren, wird der Reaktor überhitzen und das Schiff zerstören. Jim muss im Raumanzug die Außenluke manuell öffnen, damit der Reaktor sich entlüften kann und wird dabei aus dem Schiff katapultiert. Aurora macht sich daraufhin ebenfalls im Raumanzug auf den Weg zu ihm, um ihn zu retten. Doch Jim stirbt in der Kälte des Alls durch einen Riß in seinem Raumanzug.
Aurora gelingt es jedoch, ihn mit dem AutoDoc, einer medizinischen Vorrichtung, wieder zu beleben. Durch die Zugangsberechtigung von Gus findet Jim heraus, dass der AutoDoc in eine Stasiskammer umgewandelt werden kann und er möchte, dass Aurora sich hineinlegt, um so die 90-jährige Reise nach Homestead II doch noch zu überleben. Doch Aurora entscheidet sich bei Jim zu bleiben und als die Crew nach 90 Jahren aus dem Hyperschlaf erwacht, finden sie die Avalon mit Pflanzen und Bäumen dicht bewachsen vor, die Aurora und Jim gepflanzt haben.
Was würde man selbst in so einer Situation tun? Alleine auf einem riesigen Raumschiff, mit der Gewissheit, dass man sein restliches Leben hier verbringen würde? Das Thema Isolation beherrscht das erste Drittel des Filmes recht stark. In unserer vernetzten Welt gibt es eigentlich keine einsame Insel mehr. Aber das Sprichwort „Niemand ist eine Insel“ ist für Jim traurige Wahrheit in umgekehrter Form. Auf der einen Seite hat er ein riesiges Luxusschiff mit allen möglichen Freizeitaktivitäten, Restaurants und vielem mehr für sich alleine. Auf der anderen Seite hat er niemanden, mit dem er das alles teilen kann. Die Sehnsucht nach einer Gefährtin wird schließlich so groß, dass er seine moralischen Bedenken über Bord wirft und Aurora erweckt, obwohl er weiß, dass er sie damit im Grunde zum Tode verurteilt. Was die Isolation mit einem Menschen machen kann und das moralische Dilemma werden im Film allerdings nur recht oberflächlich behandelt. Recht schnell schlägt das Ganze in eine Romanze um, bevor es am Ende in einem Actionfinale mündet. Das ist etwas schade, da man aus dem Konzept sicherlich mehr hätte machen können.
So arbeitet der Film brav die Punkte der Romanze, des Verliebens, der Trennung und der Wiederversöhnung ab und auch das actionreiche Finale wirkt glattgebügelt. Der Film möchte beides sein, eine Romanze für die Frauen mit einem Actionteil für die Männer. Dabei verfällt er aber immer wieder in großen Kitsch und schwächt damit nicht nur die Action, sondern auch den eigentlich interessanten Hintergedanken des Filmes. Ich bin eigentlich ein Fan von Kitsch, bei mir müssen nicht immer nur die großen Explosionen sein, aber im Falle von PASSENGERS finde ich es einfach schade, dass die eigentlich interessante Geschichte nur als Aufhänger dient für einen teils recht kitschigen Liebesfilm mit pärchenfreundlicher Action, um es mal so auszudrücken. Zudem wollte man wohl beiden Seiten etwas zum Betrachten geben. Während Chris Pratt auch mal gerne mit nacktem Oberkörper durch das Schiff spaziert, lässt der Film ebenfalls keine Gelegenheit aus, um Jennifer Lawrence in Unterwäsche oder Badeanzug zu zeigen. Unfreiwillig komisch wurde es für mich, als Jennifer Lawrence einen Hebel betätigen muss, der aber natürlich so heiß ist, dass sie ihr Shirt ausziehen und es als Schutz für ihre Hände benutzen muss.
Und noch ein paar Spoiler.
Seltsam mutet die Rolle von Laurence Fishburne an. Seine einzige Funktion im Film ist die, dass er Aurora und Jim verklickert, dass sie den Grund für die Systemausfälle finden müssen, da sonst alles vorbei ist. Praktischerweise segnet er dann auch nach knapp 15 Minuten das Zeitliche, um dem Happy End nicht im Wege zu sein. Und auch Andy Garcia schien gerade in der Nähe zu sein, um einen fünfsekündigen Cameo-Auftritt ohne Dialog hinzulegen.
Für die Musik in PASSENGERS ist Veteran Thomas Newman zuständig. Newmans recht prägnanter Personalstil dürfte den meisten Zuschauern spätestens seit AMERICAN BEAUTY (1998) bekannt sein. Der Erfolg des Filmes machte Newmans typisches Vertonungskonzept berühmt und es wurde seitdem oft kopiert und auch parodiert. Dabei geht Newman recht oft ähnlich vor. Seine Musik ist größtenteils recht minimalistisch gehalten und besteht auch bei PASSENGERS meist aus sanften Klangflächen, die Newman mit verhaltenen Piano-Tupfern überlagert. Auch das Newman-typische „Geklingel“ findet sich immer wieder in der Musik. Dazu gesellt sich wieder einmal ein recht hübsches Streicherthema, welches emotional durchaus eine große Wirkung hat, da es eben schlichtweg aus dem verhaltenen Rest der Musik ausbricht und die entsprechenden Stellen im Film dadurch hervorhebt, schön zu hören am Ende des Stücks „Spacewalk“.
In der Szene im Film erschafft das Streicherthema, welches ohne Zweifel das Liebesthema für Aurora und Jim ist, die erste große emotionale Verbindung zu den Figuren. Während Newmans Musik anfangs eher sphärisch und minimalistisch ist, entfalten sich die ersten zarten musikalischen Motive, als Jim Aurora zum ersten Mal in ihrer Stasiskammer sieht. Trotz dem der Film, vor allem gegen Ende hin, öfter mal in Kitsch abdriftet, hält sich Newman erstaunlich zurück, was auch dazu führt, dass das Liebesthema am Ende in seiner vollen Pracht durchaus einen guten emotionalen Schlußpunkt setzen kann.
Für die Actionmomente verlässt sich Newman wieder auf seine flirrenden Streicher, die von rhythmischer Percussion begleitet werden.
Insgesamt ist Newmans Musik in manchen Phasen des Filmes recht unauffällig. Wenn die Action losbricht wird die Musik, wie so oft, unter den Sound Effekten begraben. Herausstechend ist tatsächlich nur das Liebesthema und dessen Einsatz, im ersten Drittel passen Newmans Piano-Tupfer und „Geklingel“ aber gut zur Einsamkeit von Jim Preston.
Ein Album mit Newmans Musik ist bei Sony Classical erschienen.
Regisseur Morten Tyldum (THE IMITATION GAME) und sein Kameramann Rodrigo Prieto (ARGO, THE WOLF OF WALL STREET) verstehen es immerhin, optisch tolle Bilder zu schaffen. Auch die Kulissen und das Dekor des Schiffes ist recht imposant. Die Bar ist vom Design her gar der Bar in Stanley Kubricks SHINING nachempfunden und tatsächlich war auch mein erster Gedanke, als die Bar mit Arthur zum ersten Mal auftauchte, dass etwas Ähnliches wie in SHINING vorgehen würde. Jack Nicholson wird in Kubricks Film durch die Isolation und die Einsamkeit im Overlook Hotel langsam wahnsinnig, was die Geister der Vergangenheit, die er sieht, noch unterstützen.
Doch nicht nur damit führt der Film den Zuschauer auf eine falsche Fährte. Auch die Tagline des Filmes, „Es gibt einen Grund, warum sie aufgewacht sind“, verspricht ein Mysterium, das einfach nicht da ist. Und so kann man zusammenfassend sagen, dass der Film Erwartungen weckt, die er nicht erfüllen kann. Was bleibt ist eine solide gemachte Sci-Fi-Romanze mit tollen Bildern, die aber inhaltlich leider nur an der Oberfläche viel tiefer gehender Fragen kratzt.
Hallo Alex,
schöne und anschauliche Kritik! 🙂
Du beschreibst auch Thomas Newmans Musik, doch leider vermisse ich ein paar Worte darüber, ob denn der Score den Film effektiv bzw. effektvoll unterstützt, d.h. ob Newman seine Sache gut gemacht hat. 🙂
Hallo Thomas,
vielen Dank für das Feedback. Und vielen Dank für die Anregung, ich habe die entsprechende Passage ein wenig erweitert. 🙂