Die Welt der Musik ist so groß und vielfältig, dass man immer wieder etwas Neues entdeckt, auch wenn es schon jahrelang vorhanden ist. Ich liebe Musik als Kunstform, weshalb mein Musik-Geschmack auch sehr breit gefächert ist. Ich höre Metallica und Rammstein ebenso gerne wie Chris de Burgh und Phil Collins. Ich mag Avantgarde ebenso wie alte Ralph-Siegel-Schlager. Für mich sind das keine Widersprüche, da mich jede Musikrichtung auf eine andere Art anspricht und ich sie deshalb auch aus jeweils anderen Gründen gerne höre.
Manchmal mache ich mich gezielt auf die Suche nach neuen Künstlern, beziehungsweise Künstlern, die ich bisher noch nicht kannte. Dann kaufe ich mir auch schon mal blind neue Alben, einfach, um etwas Neues auszuprobieren. Welche Alben das dann sind, entscheide ich entweder nach interessanten Besprechungen, überzeugenden Hörbeispielen oder einfach einem Plattencover, welches mir gefällt. So ähnlich lief es auch im vorliegenden Fall, als ich die Musik von Anna von Hausswolff entdeckte.
Ihre Plattencover geben zunächst einen etwas düsteren Eindruck wieder. In Rezensionen ist immer wieder von „Beerdigungsmusik“ oder „Musik aus dem Grab“ die Rede. Das wird der Musik allerdings nicht gerecht, wie ich finde. Denn trotz der offensichtlich düsteren Thematik und Titeln wie „Funeral For My Future Children“, „Deathbed“ oder „Singing From The Grave“ wohnt Annas Musik eine zerbrechliche Schönheit inne, gepaart mit einigen echt wuchtigen Arrangements.
Anna von Hausswolff, alleine der Name ist schon toll, wurde 1986 in Schweden geboren. Scheinbar fühlen sich Menschen aus den nordischen Ländern mehr zu Melancholie und düsteren Themen hingezogen als im Rest von Europa, was wohl an der Landschaft und den Wetterverhältnissen liegt. Dennoch mutet Annas Wahl ihres Hauptinstruments etwas kurios an. Sie spielt alles, was Tasten hat, sehr oft aber eine Orgel, manchmal auch große Kirchenorgeln. Dazu schreibt sie ihre Songs selbst. Ihre ausdrucksstarke, fast elfengleiche Stimme erinnert immer wieder an Kate Bush, mit der sie sich auch die Vorliebe für eher sphärische Musik teilt. Und wenn sich dann die Band zum Klang der Orgel gesellt, fühlt man sich in alte Pink-Floyd-Titel zurückversetzt, wie „A Saucerful of Secrets“.
Annas erstes Album, „Singing From The Grave“, erschien digital 2010. Besonders in Schweden wurde es sehr gut aufgenommen und erschien dann in limitierter Auflage auch auf CD und LP. Die CD wurde sogar noch mal limitiert aufgelegt, nachdem die erste Auflage ausverkauft war, aber auch die zweite Auflage ist mittlerweile ausverkauft und die CD damit ein rares Sammlerobjekt geworden.
Die Arrangements sind hier noch nicht ganz so wuchtig wie auf ihren späteren Alben. Meist dominiert Anna mit ihrer Stimme und ihrem Piano die Songs. Der Song „Track of Time“ wurde als Single ausgekoppelt.
Danach war sie auf einigen Festivals unterwegs und tourte auch als Support mit Künstlern wie Lykke Li. Es vergingen drei Jahre, bevor Anna ihr zweites Album veröffentlichte, „Ceremony“.
Auf diesem Album dominiert nun eindeutig die Orgel als Hauptinstrument. Gleich der erste Track, „Epitaph Of Theodor“, zieht den Hörer in die Welt von „Ceremony“. Die Technik, dass sich das rhythmische Grundkonzept des Stückes nicht ändert, aber obendrauf immer wieder neue Klangschichten gelegt werden, hat was von der Musik von Philip Glass, besonders von seiner Filmmusik zu KOYAANISQATSI. So beginnt das Stück mit einer einfachen Tonfolge der Orgel und fügt im Verlauf immer weitere Schichten hinzu, als letztes Annas Stimme. So baut sich das Stück bis zum Ende hin in eine unglaubliche Wand aus Klängen auf.
Es ist schwierig, einzelne Titel aus dem Album rauszupicken, da sie einfach zusammen gehören und es keinen schwachen Titel gibt. Ich versuche es mit „Mountains Crave“, einem schönen Song, der auch live seine volle Wirkung entfaltet.
Auch „Funeral For My Future Children“ ist weniger düster, als der Titel vermuten lässt.
2015 erschien ihr aktuelles Album, „The Miraculous“.
Das Herzstück des Albums ist sicher das fast 11minütige „Come Wander With Me/Deliverance“. Es beginnt als sphärischer Klangteppich mit Annas geisterhaftem Gesang und wird dann zu einer krachenden Prog-Rock-Nummer. Das muss man gehört haben.
Auch „Evocation“ ist ein toller Song. Eingerahmt in schräge Ambient-Geräusche erinnert es mich ein wenig an die Musik, die David Lynch auf seinen beiden Alben präsentierte.
Und das knapp zweiminütige „Pomperipossa“ bläst dann endgültig den Staub aus den Lautsprechern.
Ich weiß gar nicht genau, woran es lag, dass mich Annas Musik vom ersten Moment an begeistert hat. War es ihre Stimme, die Orgel, die Prog-Rock-Elemente? Es war wohl alles zusammen. Sicherlich ist Annas Musik nun kein Radio-Pop oder Partymusik und derart lange Songs fordern beim Hörer schon eine gewisse Aufmerksamkeitsspanne, aber wer sich auf die Musik einlassen kann, hat viele intensive Momente damit vor sich. Schon lange hat mich eine neue Künstlerin von Beginn an nicht mehr derart begeistert wie Anna von Hausswolff und vielleicht ist der eine oder andere Leser nun auch auf den Geschmack gekommen. Ihre Alben „Ceremony“ und „The Miraculous“ gibt es als CD und LP, natürlich auch als Download, bei den einschlägigen Händlern.
Am 2. März 2018 erschien ihr bereits viertes Album, „Dead Magic“. Es befinden sich nur fünf Songs darauf, aber die haben es in sich. Annas Musik hat sich weiter in die Richtung sphärischer Klanglandschaften entwickelt, die auf „The Miraculous“ schon zu hören waren. Das über 16 Minuten lange „Ugly and Vengeful“ zeugt auf eindrucksvolle Weise davon. Auch hier gibt es wieder Psychedelic-Rock-Anleihen, gepaart mit Dead-Can-Dance-artigen Gesangspassagen. In sanfteren Sphären bewegt sich dagegen das letzte Stück „Källans återuppståndelse“.
Die erste Auskopplung aus dem Album war „The Mysterious Vanishing of Electra“, ein weiteres, vom Prog-Rock inspiriertes Stück, in welchem Anna eine gesangliche Tour de Force, irgendwo zwischen Kate Bush und Björk, hinlegt.
Wer mal in die von mir erwähnten Beispiele reinhören möchte:
Bei „A Saucerful Of Secrets“ geht es hauptsächlich um den letzten Teil des Stückes, „Celestial Voices“:
Das Titelstück aus dem Film von Philip Glass hat einen ähnliche Stimmung wie Annas Musik:
David Lynch benutzt auf seinen Alben natürlich mehr Elektronik und verfremdet seine Stimme, aber diese Komibnation aus eher kühler Elektronik und sphärischem Refrain kommt dem Gefühl von „Evocation“ schon recht nahe: