Ein perfekter Organismus – 35 Jahre ALIEN

Quelle: wahuntley.blogspot.de


Der Gag und eine neue Ära des Sci-Fi-Horrors

Ende der 1970er Jahre waren Sci-Fi-Filme im Kino schwer angesagt. Die Welle wurde 1977 durch STAR WARS ausgelöst, welcher nicht nur eine Reihe von Nachahmern nach sich zog, sondern beispielsweise auch den entscheidende Impuls für den ersten STAR TREK Film gab. Und sogar James Bond verschlug es in MOONRAKER in den Weltraum. Mitten hinein drängte sich 1979 ein Film, der wenig mit Weltraumabenteuer und friedlicher Erforschung des Alls zu tun hat.

STAR BEAST war der Titel des Drehbuchs, welches von Dan O‘ Bannon (von dem auch das Drehbuch zum Schwarzenegger-Kracher TOTAL RECALL stammt) geschrieben wurde. Und zu einem gewissen Teil basierte es auf einem Gag. Dan O‘ Bannon arbeitete bereits Anfang der 1970er mit der späteren Horror-Regie-Ikone John Carpenter zusammen, als dieser seinen ersten Spielfilm DARK STAR drehte. O‘ Bannon spielt darin nicht nur mit, er schrieb auch das Drehbuch zusammen mit Carpenter. DARK STAR ist eine Satire auf Filme wie 2001 – A SPACE ODYSSEY, die den langweiligen Alltag einer Hippie-Crew zeigt, die mit ihrem Schiff, der „Dark Star“, durch’s All fliegt, um instabile Planeten zu zerstören. An Bord befindet sich auch ein Alien, das Maskottchen des Schiffes, welches wie ein roter Gummi-Hüpfball mit Entenfüßen aussieht. Im Film gibt es dann auch eine Szene, in der Dan O‘ Bannon in seiner Rolle als Pinback das Alien durch einen Aufzugschacht verfolgt.

Diese Szene schien O‘ Bannon nicht mehr loszulassen und so wurde eine Variation davon Bestandteil seiner Geschichte STAR BEAST. Mit dem Titel war er allerdings nicht sonderlich glücklich und so änderte er ihn später in ALIEN. Das Drehbuch fiel Walter Hill (später Regisseur von Filmen wie RED HEAT und NUR 48 STUNDEN) und David Giler in die Hände, die von der Idee begeistert waren. Allerdings begannen sie, sehr zum Leidwesen von Dan O‘ Bannon, das Drehbuch umzuschreiben, was zu Spannungen zwischen Hill, Giler, O‘ Bannon und dessen Co-Autor Ronald Shusett führte. Eigentlich wollte O‘ Bannon auch die Regie des Filmes übernehmen, aber Walter Hill hatte das Projekt bereits an sich genommen und plante, selbst Regie zu führen. Im Verlaufe der Vorproduktion wurde ihm aber klar, dass er von Sci-Fi nicht wirklich Ahnung hatte und so begab man sich auf die Suche nach einem geeigneten Regisseur.

Das Wesen nimmt Gestalt an

Ridley Scott war zu diesem Zeitpunkt noch neu im Filmgeschäft. Er begann seine Karriere als Werbefilmer und als er das Skript zu ALIEN bekam, konnte er nur einen Spielfilm vorweisen (THE DUELLISTS, 1977). Scott war sofort Feuer und Flamme für das Projekt und entwarf seinerseits Storyboards für den Film, die den Verantwortlichen bei 20th Century Fox so gut gefielen, dass sie das Budget von 4,2 Millionen Dollar auf 8,4 Millionen Dollar verdoppelten.

Für das Design des fremden Wesens suchten sie etwas, was bisher noch niemand auf der Leinwand gesehen hatte. O‘ Bannon hatte das Buch NECRONOM IV des Schweizer Künstlers H.R. Giger ins Auge gefasst und gab dieses an Scott weiter.

Schnell war man sich einig, dass Gigers Design, die Verschmelzung von organischem Leben und kaltem, leblosen Metall, die er „Biomechanik“ nannte, perfekt für das Aussehen des Wesens in ALIEN war. Giger entwarf neben dem titelgebenden Wesen auch noch das Raumschiff der Fremden, sowie die Alien-Eier und die darin befindlichen, sogenannten „Facehugger“. Für die Alien-Eier wählte Giger zuerst ein Design, bei dem sich nur ein Schlitz an der Oberseite des Eis befand. Es sollte laut Giger aussehen wie eine Vagina, die sich öffnet. Bei 20th Century Fox bekam man deshalb allerdings kalte Füße, da man Angst hatte, dass besonders in katholisch geprägten Gegenden dieses Design als zu anstössig empfunden werden könnte. Also schlug man vor, dass sich die Eier wie eine Blume öffnen, was dann auch das endgültige Design werden sollte.

Für die weibliche Hauptrolle wählte Ridley Scott die damals noch unbekannte Sigourney Weaver, die aufgrund ihrer Körpergröße von 1,82 Meter und ihrer Ausstrahlung die Rolle der toughen und selbstbewussten Ripley glaubwürdig ausfüllen konnte. Der Film vertauscht hierbei auch die Stereotypen, da es nun kein Mann war, der ein Held sein und den Kampf aufnehmen musste. Aber auch die anderen Rollen waren gut besetzt, mit John Hurt als Kane oder Ian Holm (der später Bilbo Beutlin in Peter Jacksons „Herr der Ringe“-Filme werden sollte) als Ash.

Der Alptraum beginnt

Der Film wird eröffnet mit dem Bild des dunklen Raumfrachters „Nostromo“, der scheinbar leblos durch das All gleitet. Die Besatzung befindet sich im Hyper-Schlaf, da sich der Raumfrachter auf seiner langen Reise zurück zur Erde befindet. Der Bordcomputer weckt die Crew allerdings aus dem Hyper-Schlaf auf, da er ein fremdes Funksignal aufgefangen hat. Die Besatzung der „Nostromo“ geht dem Signal nach und landet dabei auf einem fremden Planeten, auf dem sie das Wrack eines Raumschiffes findet. In einer riesigen Halle innerhalb des Schiffes findet Kane hunderte von riesigen Eiern, in denen sich organisches Leben regt. Nachdem sich ein Ei öffnet, wird Kane von einem „Facehugger“ angesprungen, der sich auf seinem Gesicht festsetzt. Kane wird zurück zur „Nostromo“ gebracht, aber alle Versuche, den fremden Organismus von seinem Gesicht zu entfernen, scheitern. Schliesslich fällt der Organismus von selbst ab und Kane scheint es wieder gut zu gehen. Doch das ist nur der Anfang des schrecklichen Alptraumes, den am Ende nur Eine überleben wird.

Der Film spielte weltweit über 104 Millionen Dollar ein und war der Auftakt zu einer Filmreihe, die schon längst Filmgeschichte geschrieben hat. Das liegt nicht zuletzt daran, dass ALIEN als Film zeitlos geblieben ist. Auch 35 Jahre später besticht der Film immer noch durch das alptraumhaft-schöne Design des leider 2014 verstorbenen H.R. Giger, das Zusammenspiel der unterschiedlichen Charaktere und Jerry Goldsmiths zwischen Angst, Beklemmung, Einsamkeit und Weltraumabenteuer pendelnder Filmmusik, auch wenn diese unter Ridley Scotts Verschiebungs- und Kürzungswahn leiden musste. So tauchen Musikstücke an Stellen auf, die von Goldsmith gar nicht dafür geschrieben wurden und Scott benutzte sogar Musik von Goldsmith aus dem Film FREUD (1962).

2003 veröffentlichte 20th Century Fox einen sogenannten „Director’s Cut“ des Filmes, in dem knapp vier Minuten neues Material enthalten sind. Das Bemerkenswerteste daran ist eine Szene, in der Ripley das Alien-Nest entdeckt, welche in der Kinofassung komplett fehlt. Ridley Scott sagte allerdings, dass die Kinofassung seine bevorzugte Schnittfassung ist.

Das Wesen verändert sich

Bemerkenswert an der ALIEN-Reihe ist ebenfalls, dass jeder Teil von einem anderen Regisseur gemacht wurde, der seinem Film einen individuellen Stempel aufdrückte. So schuf James Cameron 1986, gerade beflügelt durch den Achtungserfolg des ersten TERMINATOR (1984), mit der Fortsetzung ALIENS wohl einen DER Actionfilme der 1980er. Wie bei seinem Vorgänger hat ALIENS den „Test of Time“ bestanden und ist auch nach heutigen Maßstäben immer noch ein rasanter und gut gemachter Film mit krachender James-Horner-Musik, der zu diesem Zeitpunkt gerade durchstartete und auch später wieder mit Cameron bei TITANIC und AVATAR zusammenarbeiten sollte. Camerons Director’s Cut ist durchaus einen Blick wert, auch wenn der Film dadurch noch länger wird, als er sowieso schon ist. Dafür gibt es aber längere Actionszenen und auch Ripleys Tochter wird erwähnt. Zudem gab Cameron der Figur Ripley den Vornamen Ellen, während sie im ersten Film immer nur mit Ripley angesprochen wurde.

ALIEN3 war dann 1992 das Regie-Debüt von David Fincher (SE7EN, FIGHT CLUB oder aktuell GONE GIRL). Fincher stand von Anfang an auf Kriegsfuß mit den Verantwortlichen bei 20th Century Fox, was zu einem chaotischen Dreh und einem fast völlig anderen Film führte, als Fincher ihn machen wollte. Deshalb möchte er auch mittlerweile nicht mehr über den Film reden. Der dritte Teil ging wieder eher in die Richtung des ersten Filmes und wäre mit seinem Schluss eigentlich das Ende der Reihe gewesen. Für die Musik zeichnete dieses Mal Elliot Goldenthal verantwortlich, der, wie seine beiden Vorgänger Goldsmith und Horner, dem Film seine eigene Note verpasste.

Trotzdem gab es 1997 dann ALIEN RESURRECTION. Dieser Film war ein Neustart der Reihe, deshalb wurde er auch nicht einfach ALIEN 4 genannt. Mit Jean-Pierre Jeunet (DELICATESSEN, DIE FABELHAFTE WELT DER AMELIÉ) saß ein visueller Tausendsassa im Regie-Stuhl, der im Film einige alptraumhaft-schöne Bilder entwirft. Aber der Film nimmt sich selbst nicht ernst und bringt zum ersten Mal eine gewisse Ironie und Augenzwinkern in die ALIEN-Reihe. Wohl auch deshalb ist er bei vielen Fans der ersten Filme eher unbeliebt. John Frizzells Musik schafft eine stilistische Symbiose aus der Musik der Vorgänger, bleibt aber innerhalb der Reihe doch hinter den Werken von Goldsmith, Horner und Goldenthal zurück.

Die Angst bleibt

Es folgten noch die beiden eher vergessenswürdigen Crossover-Filme „ALIEN VS PREDATOR“ und „ALIENS VS PREDATOR: REQUIEM“, die, besonders im zweiten Fall, beide Film-Reihen zu kreischigen Teenie-Horrorfilmen machten, bevor Ridley Scott 2012 mit PROMETHEUS zum ALIEN-Franchise zurückkehrte. PROMETHEUS war eigentlich nicht als Film der ALIEN-Reihe konzipiert und wurde erst im bereits laufenden Produktionsprozess zu einem gemacht. Das merkt man dem Film leider auch an. Zu gewollt und krampfhaft sind die Bezüge zum ersten Film, auf den PROMETHEUS hinarbeitet. Dazu kommt ein ziemlich unausgereifter Plot mit vielen B-Movie-Klischees, die eher unfreiwillig komisch wirken. Dennoch wurde der Film ein finanzieller Erfolg und PROMETHEUS 2 ist bereits in der Planung. Die Dreharbeiten sollen noch in diesem Jahr beginnen und mittlerweile wurde PROMETHEUS 2 umbenannt in ALIEN: PARADISE LOST.

Pünktlich zum 35-jährigen Jubiläum des ersten Filmes erschien 2014 das Spiel ALIEN ISOLATION für PC und verschiedene Konsolen, welches zeitlich nach dem ersten Film angesiedelt ist. Darin übernimmt man die Rolle von Amanda Ripley, Ellen Ripleys Tochter. Der Flugschreiber der „Nostromo“ wurde gefunden und auf die Raumstation „Sevastopol“ gebracht. Amanda macht sich auf den Weg zur Station, um herauszufinden, was mit ihrer Mutter passiert ist. Doch auf der Station ist in der Zwischenzeit eine Revolte ausgebrochen, weshalb Ripley eine verwüstete und fast verlassene Station vorfindet. Aber die restlichen Menschen, die als Plünderer unterwegs sind, sind bald nicht mehr Amandas einziges Problem…

Mit der ALIEN-Reihe ist also noch lange nicht Schluß, neue Generationen werden sie immer wieder neu für sich entdecken. Von daher stimmt der Leitsatz des ersten Filmes immer noch. Auch 35 Jahre später hört dich im Weltraum niemand schreien.

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