Geschichte ist im Grunde ein spannendes Feld. Aber es kommt natürlich darauf an, wie man sie präsentiert. Wenn man es schafft, sie lebendig zu gestalten, dann kommt der Rest ganz von selbst. Steven Spielberg hat sich in den letzten 25 Jahren verstärkt geschichtlichen Themen gewidmet und entfernte sich damit etwas vom puren Unterhaltungskino. Sei es sein Holocaust-Drama „Schindlers Liste“, das Sklaven-Drama „Amistad“, „Saving Private Ryan“ oder auch „München“, Spielberg möchte Geschichte erlebbar machen.
Oftmals stehen dabei einzelne Personen im Vordergrund, dessen Reise Spielberg begleitet. Die Kunst dabei ist dann, selbst einen Film wie „Lincoln“, der sich fast drei Stunden lang nur um politische Debatten dreht, trotzdem kurzweilig und spannend zu inszenieren. Dabei geht Spielberg etwas anders vor als beispielsweise Oliver Stone, der in Filmen wie „JFK“ oder „Nixon“ auch immer wieder auf visuelle Spielereien setzt.
„Bridge of Spies“ erzählt die wahre Geschichte des Versicherungsanwaltes James B. Donovan (Tom Hanks), der angeheuert wird, um Rudolf Abel vor Gericht zu vertreten, nachdem dieser verhaftet wurde mit dem Verdacht, ein sowjetischer Spion zu sein. Donovans Tätigkeit soll allerdings nur proforma sein, da für die amerikanische Justiz der Fall bereits eindeutig und Abel im Grunde schon schuldig gesprochen und verurteilt ist. Der Film beginnt im Jahre 1957 und deckt die folgenden Jahre bis in die frühen 1960er ab.
Donovan gibt sich aber nicht damit zufrieden, nur eine Art Alibi-Anwalt zu sein und macht seinen Leitspruch „Jeder Mensch ist wichtig“ zum Programm. Das bringt ihm nicht nur Anfeindungen seiner Kollegen ein, auch seine Familie gerät zunehmend ins Fadenkreuz fanatischer amerikanischer Patrioten, die jeden Kommunisten hängen sehen wollen. Dennoch hält Donovan unbeirrbar an seinem Weg fest und erreicht schliesslich, dass Abel nicht hingerichtet, sondern nur zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wird. Dabei beweist Donovan bereits weise Voraussicht, denn Abel könnte noch einmal nützlich werden, wenn die Sowjetunion ihrerseits einen amerikanischen Spion gefangen nehmen sollte.
Dazu kommt es dann einige Zeit später, als der amerikanische Pilot Francis Gary Powers, der aus der Luft Fotos von sowjetischen Militäreinrichtungen machen soll, abgeschossen und gefangen genommen wird. Zur selben Zeit wird in Berlin, wo man gerade mit dem Bau der Mauer begonnen hat, der amerikanische Student Frederic Pryor, der seine deutsche Freundin noch schnell in den West-Teil Berlins hinüber bringen will, von der Stasi verhaftet. James Donovan wird nun als Privatperson beauftragt, einen Gefangenenaustausch zu organisieren. Die Amerikaner bekommen ihren Piloten wieder und die Sowjetunion bekommt im Austausch dafür Rudolf Abel. Doch auch das ist Donovan nicht genug. Er möchte im Austausch nicht nur den Piloten haben, sondern auch den Studenten. Da dieser aber nicht von der Sowjetunion, sondern von der DDR verhaftet wurde, die von den USA nicht als Staat anerkannt wurde, muss Donovan einige Tricks anwenden, um eine Lösung zu erreichen. Die titelgebende Spionenbrücke ist die Glienicker Brücke, die den Osten Berlins mit dem Westen verbindet und auf der der Austausch stattfinden soll.
Spielberg drehte in den vergangenen Jahren ein paar Filme, die eher im unteren Teil seines Schaffens anzusiedeln sind, sei es der kitschige „Die Gefährten“ oder auch der etwas misslungene „Die Abenteuer von Tim und Struppi“. Doch Spielberg ist immer noch ein Meister im Erzählen von Geschichten, was er in „Bridge of Spies“ wieder unter Beweis stellt. Die 140 Minuten vergehen wie im Fluge, was nicht zuletzt auch an einem toll aufspielenden Tom Hanks liegt. Aber auch die Nebenrollen sind gut besetzt, sodass es eigentlich keinen Ausfall bei den Darstellern gibt. Zudem muss man wieder die Kameraarbeit von Janusz Kaminski loben, Spielbergs Stamm-Kameramann seit „Schindlers Liste“. Kaminski hat leider nur oft den Drang, die Bilder stark artifiziell erscheinen zu lassen. Das passt zu Filmen wie „Minority Report“ noch ganz gut, aber spätestens bei „Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull“ wirkte das eher kontraproduktiv. Bei „Bridge of Spies“ konnte er sich diesbezüglich zum Glück zurückhalten und liefert viele tolle Einstellungen ab. Ebenfalls wieder mit dabei ist Michael Kahn, der seit mittlerweile fast 40 Jahren (seit „Close Entcounters of the Third Kind“ 1977) Spielbergs Filme schneidet.
Ein weiterer langjähriger Kollaborateur Spielbergs fehlt allerdings. John Williams, der seit Spielbergs erstem Kinofilm „The Sugarland Express“ von 1974 diese musikalisch untermalt, konnte dieses Mal seinem alten Freund leider nicht musikalisch aushelfen. Es ist damit erst der zweite Spielberg-Film seit 1974, der keinen John-Williams-Score hat (der erste war „Die Farbe Lila“ 1985, bei dem Produzent und Musiklegende Quincy Jones selbst den Score übernahm). Der Grund waren gesundheitliche Probleme des mittlerweile 83-jährigen Williams, weshalb er das enge Zeitfenster von wenigen Wochen, welches er für „Bridge of Spies“ gehabt hätte, nicht wahrnehmen konnte. Das Zeitfenster war auch deshalb so eng, weil Williams natürlich auch wieder die Musik für den neuen „Star Wars“-Film komponiert und sich beide Projekte überschnitten hätten.
Als Ersatz für Williams holte Spielberg Thomas Newman. Dessen Musik ist aktuell auch im neuen Bond-Film „Spectre“ zu hören. Newman ist eher ein Spezialist für kleine Dramen-Scores, seine unverkennbare und oft kopierte Handschrift hört man in Filmen wie „American Beauty“. Der Trend in Hollywood geht leider eher zum sogenannten „Wall-to-Wall-Scoring“, wenn es um Musik geht. Sprich, die Musik beginnt beim ersten Bild des Studiologos und endet nach dem letzten Satz im Abspann. Damit verliert die Filmmusik leider auch einen Teil ihrer Wirkung, da sie vom Zuschauer so irgendwann nur noch als ein Nebengeräusch wahrgenommen wird.
Spielberg geht da aber einen anderen Weg. Er weiss genau um die Wirkung richtig eingesetzter Musik in Filmen. Die ersten 20, 25 Minuten von „Bridge of Spies“ haben gar keine Musik und selbst danach kommt Thomas Newman nur sehr sporadisch zum Einsatz. Das Ende des Filmes hat dann die meiste Musik. Der Film braucht aber auch nicht mehr Musik und so verfehlt diese nicht ihre Wirkung, wenn sie denn mal auftaucht. Seltsam ist nur die Veröffentlichungspolitik. Die Musik gibt es als Download und als CD, die man aber exklusiv nur bei Amazon.com kaufen kann.
Die Ausstattung des Filmes muss man ebenfalls hervorheben. Das geteilte Berlin wird hier wieder lebendig und die noch vom Krieg zerstörten Häuser im Ost-Teil der Stadt zeichnen ein unheimliches Bild, zumal es im Film gerade Winter ist und ständig Schnee aus dem grauen Himmel fällt.
Das kurioseste am Film ist die Mitwirkung der Coen-Brüder am Drehbuch. Joel und Ethan Coen sind bekannt für eher schräge Filme wie „The Big Lebowski“ und „Fargo“. Doch es ist ihr Humor, der besonders die Figur von Tom Hanks bereichert. Der Humor wirkt nie deplatziert oder platt, er macht Donovan einfach noch mehr zu einem sympathischen Zeitgenossen, mit dem man auf seinem Weg mitfiebert.
Wie immer bei Spielberg menschelt es natürlich stark. Wo es seinem Kollegen Oliver Stone eher um politische Aussagen geht, steht bei Spielberg der Einzelne im Vordergrund, der viel bewegen kann. Das wird im Film dann auch relativ pathetisch inszeniert, beispielsweise wenn Rudolf Abel Anwalt Donovan einen „standhaften Mann“ nennt, nachdem er ihm vorher eine Geschichte erzählt hat über einen Mann, der sich der Gefangennahme widersetzte, indem er immer wieder aufstand, nachdem man ihn zu Boden geschlagen hatte.
Donovan wird ebenfalls Zeuge, wie Menschen, die über die Mauer in den Westen Berlins flüchten wollen, beim Hinüberklettern erschossen werden. Ein Bild, welches sich am Ende des Filmes spiegelt, wenn Donovan, wieder zuhause in den USA, spielende Kinder sieht, die über einen Zaun klettern.
Mit einem Budget von 40 Millionen Dollar gelingt Spielberg ein packendes Geschichtsdrama, welches durch das Hinzunehmen der Ereignisse in Deutschland zur damaligen Zeit hierzulande natürlich eine ganz andere Bedeutung hat, als beispielsweise in den USA. Das schlägt sich leider auch in den Zahlen nieder. In den USA hat „Bridge of Spies“ bisher nur knapp 68 Millionen Dollar eingespielt, das schlechteste Ergebnis eines Spielberg-Filmes seit „München“. Im Rest der Welt kann der Film bessere Zahlen verbuchen.
Wer sich also für Geschichte interessiert, die spannend präsentiert wird, ist mit „Bridge of Spies“ gut beraten, auch wenn natürlich nicht alle Fakten hundertprozentig stimmen. Aber das fällt eben unter „künstlerische Freiheit“.
Habt ihr den Film auch schon gesehen? Wie hat er euch gefallen?