Der Name Roland Emmerich ist für viele Kinogänger ein rotes Tuch. Der Schwabe machte sich mit spektakulären Katastrophenfilmen einen Namen, was ihm auch die Bezeichnung „Master of Desaster“ einbrachte. Dabei geht es ihm aber weniger um Inhalt, als um imposante Bilder. Das könnte noch davon kommen, dass Emmerich zuerst eigentlich kein Regisseur werden wollte.
Er studierte 1977 Szenenbild an der Hochschule für Film und Fernsehen München. Aber nachdem er STAR WARS gesehen hatte, wechselte er ins Regiefach. Sein Abschlußfilm, DAS ARCHE NOAH PRINZIP, welcher 1984 veröffentlicht wurde, sprengte bereits alle Dimensionen. Größtenteils fremdfinanziert betrug das Budget des Filmes rund eine Million D-Mark, locker das Fünffache dessen, was ein Abschlußfilm zu dieser Zeit im Schnitt kostete. Emmerich schrieb auch selbst das Drehbuch und zeigte bereits mit diesem Film, wohin die Reise für ihn gehen sollte. Der Sci-Fi-Film, der in der damaligen Zukunft des Jahres 1997 spielt, dreht sich um eine Raumstation, auf der die Möglichkeit erforscht wird, das Wetter auf der Erde zu beeinflussen und zu kontrollieren. Technisch gesehen kann der Film durchaus punkten, aber sowohl Handlung, als auch Charaktere, bleiben doch oft in ihren Klischees stecken. Eine Eigenart, die Emmerich im Grunde bis heute beibehalten hat.
Im weiteren Verlauf der 1980er drehte Emmerich drei weitere Filme. Auch bei diesen frönte er seiner Vorliebe für das damalige US-Kino, was sich nicht nur im Look der Filme ausdrückte, sondern auch in den Handlungen. So ist JOEY (1985) beispielsweise eine Mischung aus E.T. und POLTERGEIST. Auch HOLLYWOOD MONSTER (1987) und MOON 44 (1989) könnten als US-Produktionen durchgehen. Doch Emmerich merkte, dass er in Deutschland nicht mehr weiterkommen konnte und so wagte er den Sprung in die USA.
Begleitet wurde er dabei von Dean Devlin, einem jungen Schauspieler, der in MOON 44 mitwirkte. Devlin fungierte als Co-Autor von UNIVERSAL SOLDIER (1992), Emmerichs erstem US-Film. Da aber harte Actionfilme nicht so sein Metier waren, schwor er sich, etwas wie UNIVERSAL SOLDIER nicht mehr zu machen. Stattdessen entwickelte er mit Dean Devlin zusammen das Drehbuch zu STARGATE, der 1994 in die Kinos kam und ein großer Erfolg wurde. Devlin fungierte auch als Co-Produzent, was er für die nächsten Jahre bei Emmerichs Filmen beibehalten sollte.
Zusammen schrieben sie danach das Drehbuch für INDEPENDENCE DAY. Der Film markierte den endgültigen Start von Emmerichs Spektakeln, die danach noch mehrfach folgen sollten. INDEPENDENCE DAY, oder abgekürzt ID4, kam im Sommer 1996 in die Kinos und wurde ein weltweiter Megahit. Einen Film mit einer Zerstörungsorgie diesen Ausmaßes hatte man bis dato noch nicht gesehen. Obwohl computergenerierte Effekte damals schon in Filmen eingesetzt wurden, arbeitete Emmerich auch viel mit Modellen und Miniaturbauten. Chef der visuellen Effekte war Volker Engel, den Emmerich aus Deutschland mitgebracht hat und der für INDEPENDENCE DAY auch gleich einen Oscar mit nach Hause nehmen durfte. Überhaupt schart Emmerich bei seinen Filmen immer wieder ein Team aus deutschsprachigen Kollegen um sich. So stand, wie schon bei STARGATE, auch bei INDEPENDENCE DAY Karl Walter Lindenlaub hinter der Kamera.
INDEPENDENCE DAY spielte weltweit über 800 Millionen Dollar ein. Emmerich hatte es geschafft. In Deutschland noch als „schwäbisches Spielbergle“ belächelt, gehörte er nun zur ersten Riege in Hollywood. Natürlich wurden vom Studio sofort Pläne geschmiedet für eine Fortsetzung. Tatsächlich machte sich Dean Devlin daran, ein Drehbuch zu schreiben. Aber so richtig kam das Ganze nicht in Gang und Emmerich wendete sich anderen Projekten zu. Mit Dean Devlin zusammen produzierte er die kurzlebige TV-Serie VISITOR (1997). Sein nächster Film wurde GODZILLA (1998). Auch hier ließ Emmerich seiner Zerstörungswut freien Lauf, aber der Erfolg kam nur schleppend. Fans des japanischen Kult-Monsters kritisierten Emmerich dafür, dass sein Godzilla mit dem Original nichts zu tun habe. Und auch der Film selbst verliert sich zu oft in seinen eindimensionalen Charakteren und ihren platten Dialogen. Dennoch blieb weltweit ein Einspielergebnis von knapp 380 Millionen Dollar stehen.
Emmerich hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er ein großer Bewunderer Steven Spielbergs ist. Tatsächlich sieht man Emmerichs Filmen an, dass er immer wieder versucht, sein Vorbild visuell zu imitieren. Nachdem Spielberg in den 1990er Jahren seinen Fokus vom Popcorn-Kino etwas abgewendet hat und mehrere ernste Filme machte (SCHINDLER’S LIST, AMISTAD, PRIVATE JAMES RYAN), eiferte Emmerich ihm nun auch dort nach. THE PATRIOT (2000), mit Mel Gibson in der Hauptrolle, ist ein Historienfilm, der die Widerstände der amerikanischen Bevölkerung gegen die britische Kolonialmacht thematisiert. Zum ersten Mal seit UNIVERSAL SOLDIER war Emmerich nicht am Drehbuch beteiligt. Der Film wurde ebenfalls ein Abschied von zwei langjährigen Weggefährten. Die Wege von Dean Devlin und Roland Emmerich trennten sich nach THE PATRIOT und bereits vorher kam es zum Bruch zwischen Emmerich und Komponist David Arnold. Arnold vertonte Emmerichs Filme seit STARGATE, sowie die Serie VISITOR, aber die berühmten künstlerischen Differenzen führten dazu, dass Arnold die Musik für THE PATRIOT nicht komponierte. Stattdessen kam Emmerich auch hier Steven Spielberg ein Stück näher, indem er John Williams, der seit nunmehr 43 Jahren fast alle Filme von Spielberg musikalisch untermalt, als Komponisten gewinnen konnte.
Nach THE PATRIOT folgte eine vierjährige Regie-Pause, in der Emmerich die Horrorkomödie ARAC ATTACK (2002) produzierte. Der „Master of Desaster“ kehrte 2004 zurück mit THE DAY AFTER TOMORROW. Der Film war gleichzeitig der Einstand für Emmerichs neuen beruflichen Weggefährten, den Österreicher Harald Kloser. Seines Zeichens eigentlich Komponist übernahm Kloser ab sofort mehrere Positionen bei Emmerichs Filmen. Er schrieb die Musik (zusammen mit Thomas Wander), arbeitete am Drehbuch mit und fungierte als Co-Produzent. THE DAY AFTER TOMORROW, ein Film über eine neue hereinbrechende Eiszeit, wurde weltweit wieder ein Hit. Mit 10.000 B.C. wagte Emmerich 2008 wieder etwas Neues. Der Film spielt in einer fiktiven Urzeit und begleitet die Hauptfigur D’leh (das Wort „Held“ umgedreht) bei seinen Abenteuern. An der Kinokasse konnte der Film allerdings nicht überzeugen. In den USA blieb der Film knapp unter der 100-Millionen-Dollar-Grenze, weltweit kamen immerhin fast 270 Millionen Dollar zusammen.
Das wird wohl auch ein Grund gewesen sein, warum sich Emmerich, der eigentlich weg wollte von Katastrophenfilmen, sich doch wieder einem solchen Projekt zuwendete. Das weltweite Phänomen, die Ungewissheit, was wohl Ende 2012 passieren wird, wenn der Kalender der Maya endet, inspirierte Emmerich zu seinem Film 2012. Er kam 2009 in die Kinos und wurde ein weltweiter Hit. Mit fast 770 Millionen Dollar Einspielergebnis ist es Emmerichs zweiterfolgreichster Film nach INDEPENDENCE DAY. Und auch der Grad der Zerstörung im Film übertrifft Emmerichs bisherige Spektakel.
Mit dem Erfolg im Rücken wagte sich Emmerich wieder an ein kleineres Projekt. In ANONYMOUS geht es um das historische Gerücht, William Shakespeare habe seine Werke gar nicht selbst geschrieben. Der opulent ausgestattete Kostümfilm floppte 2011 leider gewaltig, konnte weltweit nicht mal seine Kosten von 30 Millionen Dollar einspielen. Der Actionfilm WHITE HOUSE DOWN passte 2013 dann wieder eher in Emmerichs Metier. Doch bereits kurz vorher lief OLYMPUS HAS FALLEN im Kino, ein Film, der im Grunde die gleiche Geschichte erzählt. Das kostete Emmerich in den USA einige Zuschauer, dennoch konnte der Film weltweit 205 Millionen Dollar einspielen und ließ OLYMPUS HAS FALLEN damit hinter sich.
Roland Emmerich geht ganz offen mit seiner Homosexualität um. Er zeigt sich in der Öffentlichkeit gerne mit seinem Lebensgefährten und ist auch ein aktiver Unterstützer des schwul-lesbischen Kinos. Das führte dazu, dass Emmerich 2015 STONEWALL verfilmte, die Geschichte über die ersten Aufstände von Homosexuellen in den USA Ende der 1960er Jahre und die Geburt der LGBT-Bewegung. Doch der Film lief nur in wenigen Kinos und verschwand schnell wieder aus den Programmen.
Das 20-jährige Jubiläum von INDEPENDENCE DAY rückte näher und die Verhandlungen über eine Fortsetzung kamen wieder in Gang. Emmerich setzte sich wieder mit Dean Devlin zusammen und beide schrieben ein Drehbuch für eine Fortsetzung. Doch es war noch ein weiter Weg. Emmerich plante, gleich zwei weitere Filme am Stück zu drehen, um eine Trilogie aus INDEPENDENCE DAY zu machen. Als Titel waren bereits „ID4ever Part I“ und „ID4ever Part II“ gewählt. Aber auch diese Pläne durchliefen mehrere Veränderungen. Ein Knackpunkt war Will Smith, Star des ersten Filmes. Smith verlangte 50 Millionen Dollar Gage für beide Sequels und war damit dem Studio zu teuer. Er selbst gibt an, dass er seine Teilnahme abgesagt hat, weil es zu Überschneidungen mit SUICIDE SQUAD gekommen wäre. Das Drehbuch von Emmerich und Devlin wurde überarbeitet und das Studio 20th Century Fox gab grünes Licht für erst einmal einen Film. Der Erfolg dieses Films würde darüber entscheiden, ob es eine weitere Fortsetzung gibt oder nicht.
Auch im Film sind 20 Jahre seit dem Angriff der Aliens vergangen. Die Länder der Erde haben sich vereinigt und gemeinsam die Alien-Technologie genutzt, um große Fortschritte in der Raumfahrt zu machen. So gibt es einen Stützpunkt auf dem Mond, der die Erde vor einem erneuten Angriff schützen soll. Auch im Orbit der Erde befinden sich Waffenstationen. Als ein rundes, weißes Flugobjekt von der Mondbasis abgeschossen wird, schlägt David Levinson (Jeff Goldblum) vor, die Absturzstelle zu untersuchen, da er nicht glaubt, dass es sich um ein Schiff der feindlichen Alien-Rasse handelt. Er selbst befindt sich auf einer Mission in Afrika, um das Schiff zu untersuchen, welches damals als einziges gelandet ist. Er entdeckt ein Signal, welches das Schiff aussendet. Zur gleichen Zeit hat der ehemalige Präsident Whitmore (Bill Pullmann) Alpträume und Visionen. Er ist fest davon überzeugt, dass die Aliens wiederkommen werden. Bei den Feierlichkeiten zum Jubiläum der Befreiung bricht Whitmore auf der Bühne zusammen.
Auf dem Mond untersucht Levinson die Absturzstelle des runden Flugobjekts, als ein riesiges Raumschiff die Mondbasis zerstört und Richtung Erde fliegt. Das Schiff ist mit einem Durchmesser von ca. 5000 km so groß, dass es über eine eigene Gravitation verfügt und bei der Landung auf der Erde viele Städte einfach vom Erdboden reißt. Levinson untersucht zusammen mit Dr. Okun (Brent Spiner), der seit den Ereignissen 1996 im Koma lag, das kleinere runde Flugobjekt, welches sie aus dem abgestürzten Wrack geborgen haben. Es stellt sich heraus, dass es sich um eine Sonde handelt, die von einem anderen außerirdischen Volk geschickt wurde, um die Menschen zu warnen und die Erde zu evakuieren. Das Aktivieren der Sonde ruft dann auch die Königin der feindlichen Aliens auf den Plan, die sich sofort daran macht, die Sonde zu suchen.
Man kann Emmerich nicht vorwerfen, dass er sich keine Gedanken über eine Weiterführung der Geschichte gemacht hat. Die Idee mit einer zweiten Alien-Rasse und einem bevorstehenden intergalaktischen Kampf mag zwar nicht originell sein, aber ich finde sie interessant genug, um damit zwei Filme zu bestücken. Das Problem von INDEPENDENCE DAY: RESURGENCE ist eher, dass Emmerich sich scheinbar kaum Mühe gibt, sein Handlungsgerüst dramturgisch aufzubauen. Dafür, dass man 20 Jahre Zeit für eine Fortsetzung hatte, wirkt der Film leider hastig zusammengeschustert, um rechtzeitig zum 20. Jubiläum fertig zu sein. Die Ereignisse überschlagen sich stellenweise förmlich, als hätte man Szenen gekürzt oder ganz heraus genommen. 1996 war INDEPENDENCE DAY auch wegen der Effekte so außergewöhnlich. Mittlerweile ist man als Zuschauer große Effektspektakel gewöhnt. Emmerich weiß das wohl selbst und versucht erst gar nicht, seinen ersten Film zu übertrumpfen. Die Zerstörung der Städte durch die Landung des neuen Schiffes hat man im Grunde schon im Trailer gesehen und viel mehr passiert in dieser Richtung auch nicht. Emmerich hat sich bestimmt gesagt, dass es keinen Sinn macht, noch mal das Gleiche zu zeigen. Dafür spricht der humoristische Einwurf, bei dem das Weiße Haus nur knapp nicht zerstört wird, während die Zerstörung im ersten Film im Grunde DAS Bild des Filmes ist.
Die schauspielerischen Leistungen sind in Emmerichs Filmen eigentlich auch immer sekundär, aber hier schaffen es selbst gestandene Mimen wie Jeff Goldblum nicht, ihren Rollen auch nur einen Hauch von Tiefe oder Charme zu geben. Die Figuren wirken auf den Zuschauer kühl und distanziert. Ersteres passt immerhin zum kühl-technischen Look des Filmes, der sich damit stark vom ersten Film abhebt. Auch, dass doch einige Charaktere aus dem ersten Film wieder dabei sind, hilft dem Film nicht sonderlich. Levinsons Vater wirkt gar etwas deplaziert als Busfahrer für eine Gruppe Jugendlicher. Schmerzlich vermisst man eine Leitfigur wie Will Smith, die den Film tragen kann. Auch die Wandlung des ehemaligen Präsidenten Whitmore ist recht albern. Ist er anfangs noch ein wirr plappernder Zausel mit Vollbart, der einen Gehstock braucht und so wirkt, als würde er bald das Zeitliche segnen, taucht er vor dem Showdown frisch rasiert plötzlich auf und fliegt als Kampfpilot beim Einsatz mit.
Dass die Szenen den Zuschauer emotional kaum packen, liegt auch an der Musik von Thomas Wander und Harald Kloser. Während David Arnold für den ersten Film noch einen bombastischen Dramen- und Helden-Score schrieb, beschränken sich Kloser und Wander meist auf simple Spannungsmusik. Manche Szenen, auch bei den Angriffen der Kampfpiloten-Staffel, sind gar ohne Musik, weshalb so mancher kleiner Erfolg emotional einfach verpufft, da auch der Film sich nicht lange mit Jubel aufhält und gleich zur nächsten Szene springt. David Arnolds berühmtes musikalisches Thema aus dem ersten Film wird zwar hin und wieder aufgegriffen, aber das eigene Material von Kloser und Wander, unter anderem ein kleines, heroisches Thema, verblasst doch stark im Vergleich.
Ein Album mit dem Score ist bei Sony Classical als CD, Vinyl und Download erschienen.
Auch an den Kinokassen blieb der ganz große Ansturm aus. Der Film spielte weltweit fast 390 Millionen Dollar ein, allerdings bei einem Budget von rund 180 Millionen Dollar. Somit ist es also fraglich, ob wir tatsächlich noch einen dritten Teil sehen werden. Das Ende von RESURGENCE ist ein Cliffhanger und öffnet die Tür für einen weiteren Film. Doch auch Emmerich hat sich mittlerweile schon wieder anderen Projekten zugewandt. Unter anderem plant er eine Fortsetzung seines Films STARGATE. Mal sehen, wie lange ihm die Götter des Box Office noch wohl gesonnen sind. Aber seine großen Zeiten als „Master of Desaster“ sind wohl vorbei.