Kaum zu glauben, dass es bereits 17 Jahre her ist, seitdem die X-Men zum ersten Mal auf der Kinoleinwand erschienen sind. Damals im Jahr 2000 waren Comic-Verfilmungen noch kein normaler Anblick in den Lichtspielhäusern, die große Comic-Welle stand erst noch bevor. Der erste X-MEN war nicht nur der Auftakt zu einer der ersten Comic-Reihen im Kino, sondern auch der Durchbruch für den damals noch relativ unbekannten Hugh Jackman. Sein Aussehen und seine Ausstrahlung machten aus ihm den perfekten Wolverine, den er danach in weiteren X-MEN-Filmen und nun drei Solo-Filmen verkörpern sollte.
Der erste Wolverine-Film, X-MEN ORIGINS: WOLVERINE, erzählt, wie Wolverine zu Wolverine wurde. Der zweite Film, der einfach nur THE WOLVERINE heißt, spielt zeitlich gesehen nach den Ereignissen des dritten X-Men-Filmes, X-MEN: THE LAST STAND und zeigt Logan, Wolverines richtiger Name, der sich in die Wälder Kanadas zurückgezogen hat. Ein alter Freund, der im Sterben liegt, ruft Logan nach Japan. Dort gerät er ins Fadenkreuz böser Mutanten und auch seine Selbstheilungskräfte werden ihm fast komplett geraubt.
Der nun dritte Film, LOGAN, setzt viele Jahre später wieder an. Es ist das Jahr 2029 und auf der Erde leben so gut wie keine Mutanten mehr, da seit 25 Jahren kein Mutant mehr geboren wurde und die anderen quasi ausgerottet wurden. Logan ist mittlerweile ebenfalls sichtlich gealtert und verdient Geld als Chauffeur einer Limousine. In einem Versteck an der mexikanischen Grenze hält sich der schwer kranke Professor Charles Xavier auf, der dort von Logan und dem Mutanten Caliban gepflegt wird. Logan will genug Geld verdienen, damit er sich ein Boot kaufen kann, mit dem er Charles von dem Leben im Versteck befreien und eine sichere Zuflucht erschaffen will. Mit Tabletten hält Logan Charles unter Kontrolle, damit seine kognitiven Fähigkeiten nicht in Erscheinung treten. Aber auch Logan ist gesundheitlich angeschlagen. Das Adamantium, welches sein Skelett und seine Krallen umgibt, vergiftet seinen Körper langsam aber sicher.
Eines Tages steigt ein Mitarbeiter der Firma Alkali-Transigen in Logans Limousine ein. Dieser bedroht Logan und trägt ihm auf, dass er ihn anrufen solle, sobald eine Mexikanerin sich bei Logan meldet. Mit dieser Mexikanerin hatte Logan bereits Kontakt. Sie bittet ihn, ihre Tochter Laura nach North Dakota in Sicherheit zu bringen. Anfangs sträubt sich Logan gegen den Auftrag, aber die Mexikanerin bezahlt ihm viel Geld dafür, was Logan dann doch umstimmt. Als er aber die Tochter holen will, findet er ihre Mutter tot vor. Laura versteckt sich in Logans Limousine und mit ihr fährt er zum Versteck zurück, wo die Truppen von Alkali-Transigen kurz darauf anrücken. Sie wollen Laura haben, die sich als Mutantin X-23 entpuppt und ebenfalls Adamantium im Körper hat wie Logan. Doch Laura und Logan töten die meisten Soldaten und können mit Charles entkommen. Dieser offenbart Logan, dass Laura seine Tochter ist, da sie aus Logans DNA gezüchtet wurde. Doch Laura ist nicht das einzige Kind, welches in den Laboren von Alkali-Transigen erschaffen wurde.
Regisseur und Co-Autor James Mangold, der schon mit Filmen wie COPLAND (1997) seine Vorliebe für charakterorientierte Dramen zeigte, aber auch den Western 3:10 TO YUMA (2007) inszenierte, bringt genau diese zermürbende Rauhheit in LOGAN. Mangold inszenierte bereits den zweiten Wolverine-Film und zeigte damit schon mal die Richtung an, in die es gehen sollte. Weitab vom bunten Treiben anderer Marvel-Filme ist LOGAN ein staubiges Drama voller Melancholie und der Suche nach einem Zuhause, einer Familie. Actionszenen sind sparsam über den Film verteilt, schlagen mit ihrer kompromisslosen Härte dann aber auch richtig zu. Hugh Jackman glänzt ein letztes Mal in der Rolle des gebrochenen Wolverine (Jackman gab bereits im Vorfeld bekannt, dass er sich mit diesem Film nach 17 Jahren von seiner Rolle verabschieden würde) und auch Patrick Stewart spielt den vor sich hin siechenden Professor X sehr stark und berührend. Die größte Entdeckung des Filmes ist die kleine Dafne Keene, die als zuerst stumme Killermaschine die Wut Logans in sich trägt, später dann aber eine emotionale Beziehung zu ihrem Vater aufbaut. Wie sich Liebe und Hass in ihrem Gesicht widerspiegeln, ist schon recht beeindruckend und verleitete sogar einen Mitgänger im Kino zu spontaner väterlicher Verliebtheit.
Die Geschichte selbst ist nicht ganz frei von Klischees und manche Entscheidungen der Figuren einfach nur unüberlegt (es ist recht klar, dass jeder in Gefahr ist, der sich mit den Flüchtenden abgibt, was sie aber nicht davon abhält, Unschuldige als Gastgeber zu „missbrauchen“, die das natürlich nicht überleben). Aber insgesamt ist LOGAN ein stark gespieltes Action-Drama, bei dem man recht schnell vergisst, dass man eine Comic-Verfilmung sieht. Der Film basiert auf der Comicreihe „Old Man Logan“.
Man kann im Grunde froh sein, dass die X-Men (noch) nicht zu den Marvel-Studios gehören. Während die Marvel-Studios ihre Produktionen auf familientaugliche Popcorn-Action trimmen, gehen andere Marvel-Helden, an denen die Marvel-Studios keine Filmrechte haben, auch schon mal riskantere Wege. Im Falle von DEADPOOL wurde es ein großer Erfolg und LOGAN ist nun der zweite R-Rated-Marvel-Film, also ein Film mit einer Altersfreigabe ab 18 in den USA (bei uns ist er ab 16 Jahren freigegeben). Der Film gleicht mehr einem Western als einer Comicverfilmung und bietet statt visueller Schauwerte eher eine Charakterstudie. Damit hebt er sich vor allem vom ersten Wolverine-Film ab, der doch eher die effektüberladene Popcorn-Schiene fährt und der mir nie so wirklich gefiel. Ich musste beim Ansehen immer an einen billig produzierten TV-Film aus den 90ern denken. Der zweite Film gefiel mir schon besser, er hatte aber natürlich noch stärkere Comic-Elemente. LOGAN ist ein krönender Abschluß der Wolverine-Trilogie, deren Filme so unterschiedlich sind, dass sie ein breites Spektrum abbilden.
Nachdem James Mangold bereits bei 3:10 TO YUMA und THE WOLVERINE mit Komponist Marco Beltrami (I, ROBOT, GODS OF EGYPT, SCREAM) gearbeitet hatte, war es eigentlich relativ klar, dass Beltrami auch hier wieder zum Einsatz kommen würde. Doch überraschenderweise wurde im Juli 2016 Cliff Martinez, ehemaliger Schlagzeuger der Red Hot Chilli Peppers und bekannt für seine sphärischen Klangflächen für Filme wie DRIVE, ONLY GOD FOGIVES und zuletzt THE NEON DEMON, als Komponist bekannt gegeben. Laut eigenen Aussagen arbeitete Martinez auch an der Musik für den Film. Dennoch gab es im Dezember 2016 die Nachricht, dass Marco Beltrami als neuer Komponist angeheuert wurde.
Vielleicht war Martinez nur eine Idee des Studios und Mangold, der eigentlich Beltrami wollte, konnte sich erst später durchsetzen. So oder so schade für Martinez, dessen Score ich zu LOGAN gerne gehört hätte. Kurioserweise steht Beltrami eher für Orchester-Action und Martinez eben für minimalistische Klangflächen, aber für den Film schien Beltrami sich die Musik von Martinez genau angehört zu haben. Sein Score ist weit davon entfernt, bombastische Orchestermusik zu sein. Im Gegenteil, die verhaltenen Klänge sind ebenso spröde wie die staubige Landschaft Mexikos. Hier mal eine Gitarre, dort pochende Ambient-Flächen, Beltrami hat sich vom Stil seiner Musik für den Vorgänger THE WOLVERINE weit entfernt. Zum Film selbst passt diese verhaltene Musik sehr gut, sie wird auch nicht übermäßig zum Einsatz gebracht. Viele Szenen sind ohne Musik und ein Track war zumindest dabei, der an die schwebenden Klänge von Martinez erinnert.
Die Musik erschien als CD und als Download.
Nach knapp drei Wochen hat LOGAN weltweit über 525 Millionen Dollar eingespielt und hat damit die beiden Vorgänger bereits hinter sich gelassen. Wer also ein melancholisches Actiondrama, das auf einem Comic basiert, sehen möchte, ist mit LOGAN gut bedient. Der Film beweist, dass es in Comic-Filmen nicht immer bunt und lustig zugehen muss und auch, dass Comichelden durch intensive Darsteller ebenso, vielleicht sogar am besten, zum Leben erweckt werden können.