James Cameron hat es nicht eilig. Warum auch? In den letzten 23 Jahren hat er nur zwei Filme gedreht und beide wurden die jeweils kommerziell erfolgreichsten Filme aller Zeiten. Sein Avatar löste seinen Titanic an dieser Spitzenposition ab, Cameron war tatsächlich der König der (Film)-Welt. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass aus einigen Projekten, die Cameron in dieser Zeit verfolgte, nichts wurde. Unter anderem entwickelte er bereits in den 90er Jahren einen Spider-Man-Film, fand aber, dass die Tricktechnik noch nicht so weit ausgereift war, um so einen Film adäquat umzusetzen.
Gegen Ende der 90er Jahre wurde Cameron von Guillermo del Toro auf das japanische Manga Battle Angel Alita aufmerksam gemacht und Cameron gefiel das Konzept sofort. Seine von ihm entwickelte und produzierte Serie Dark Angel basiert auf Ideen des Mangas. Cameron begann mit der Arbeit am Drehbuch und es sollte sein nächster Film werden. Doch daraus wurde nichts, denn Avatar kam dazwischen und Cameron entschied sich dafür, Alita: Battle Angel zu verschieben. Die Produktion verzögerte sich immer weiter und so entschied sich Cameron 2015, die Regie abzugeben und nur noch als Produzent und Autor zu fungieren. Er wusste das Projekt bei Robert Rodriguez (Desperado, From Dusk Till Dawn, Planet Terror) in guten Händen, da dieser Camerons fast 200-seitiges Skript, sowie über 600 Seiten an Notizen, die sich Cameron im Laufe der Jahre gemacht hatte, zu einem Skript kombinierte, mit dem man Drehen konnte.
Im Jahre 2563, 300 Jahre nach dem sogenannten „Großen Krieg“, ist die Erde in weiten Teilen verwüstet. Es gab einst 12 Himmelsstädte, schwebende Städte, von denen aber nur noch eine übrig ist, Zalem. Für die Bewohner von Iron City, über deren Stadt Zalem schwebt, ist sie eine Art Paradies, ein Ort, an den sie gerne gehen würden, es aber nicht können. Zalem entsorgt seinen Müll auf einem riesigen Schrottplatz in Iron City. Dort findet der Cyborg-Wissenschaftler Dr. Dyson Ido (Christoph Waltz) einen weiblichen Cyborg-Torso mit einem intakten, menschlichen Gehirn und einem kraftvollen, mechanischen Herz. Er nimmt diesen mit in sein Labor und setzt ihn in einen bionischen Körper ein, den er ursprünglich für seine verstorbene Tochter gebaut hat. Er gibt ihr dann auch den Namen seiner Tochter, Alita. Ido kümmert sich dann auch um sie, wie um eine Tochter. Doch Alita möchte wissen, wo sie her kommt und wer sie einst war.
Sie lernt den Schrottsammler Hugo kennen und entwickelt romantische Gefühle für ihn. Von Hugo wird sie in die Sportart „Motorball“ eingeführt, die in einem harten Wettkampf zwischen Cyborgs ausgetragen wird. Der Sieger erhält ein Ticket nach Zalem und auch Hugo möchte dort hin. Gleichzeitig weiß sie nichts vom Doppelleben ihres Ziehvaters Ido. Dieser geht des nachts als „Hunter-Warrior“ auf die Jagd nach kriminellen Cyborgs, auf die ein Kopfgeld ausgesetzt wurde. Als Alita ihm eines Tages folgt und ihn vor dem sicheren Tod rettet, sieht sie Flashbacks ihres vergangenen Lebens aufblitzen und möchte nun mehr denn je herausfinden, wer sie wirklich ist.
Der Film ist hauptsächlich zugeschnitten auf ein weibliches Teenager-Publikum. Er hat alle Zutaten, um vor allem Mädchen und junge Frauen in ihren Bann zu ziehen: eine weibliche Heldin, ein knackiges, männliches Gegenstück, rasante, aber nicht zu überfordernde Action und viel Herz-Schmerz-Romantik. Das ist im Grunde alles so 08/15, dass man sich fragt, was nun ausgerechnet an diesem Film so besonders sein soll. Einfache Antwort: eigentlich nichts. Und genau das ist die Stärke des Films. Das klingt erst einmal komisch und ist sicherlich auch nicht leicht zu erklären.
Der Film gibt nicht vor mehr zu sein, als er ist. Er zeigt die Reise einer Heldin in allen Facetten, über die erste Liebe, die Suche nach der Identität und den Umgang mit Verlust. All diese Themen werden natürlich nur angekratzt, es bleibt ein bunter Unterhaltungsfilm und genau in dieser geradlinigen Einfachheit wirkt er fast schon erfrischend. Vor allem im Manga- und Comicbereich entstanden in den letzten Jahren in den USA Filme, die mit viel Brimborium und Pseudo-Tiefgang dem Ganzen einen intellektuellen Touch geben wollten, der aber eigentlich gar nicht da ist. Besonders bei japanischen Vorlagen, die ja tatsächlich meist eine tiefergehende Philosophie haben, wurde das für die breite Masse eher vereinfacht und zurück blieben oftmals recht seelenlose Studioprodukte. Bei Alita: Battle Angel spürt man den Einfluss James Camerons doch recht deutlich. Obwohl die Charakterentwicklung besonders bei den Nebencharakteren dramaturgisch sehr sprunghaft ist, wurde doch mehr Liebe zum Detail in die Figuren gesteckt, als man es bei vielen Produktionen gleicher Art vorfindet. Besonders die Beziehung zwischen Alita und Hugo sei hier genannt, der, trotz diverser Plattheiten, Raum zur Entfaltung gegeben wird.
Das ist für mich ein ähnliches Prinzip, wie es Cameron schon in Titanic und Avatar angewendet hat. In Titanic ist die Liebesgeschichte ebenfalls recht simpel und mit viel Schmalz unterfüttert, aber das ganze Drumherum, Camerons technischer Perfektionismus, ergeben eine ganz eigene Mischung, die Leuten wie Michael Bay komplett abgeht. In Avatar ist die Handlung ebenfalls wenig aufregend, aber wie es Cameron schafft, diese Welt lebendig werden zu lassen und Bilder zu erschaffen, die man bisher so noch nicht gesehen hat, können ihm nicht viele Regisseure in dieser Kategorie nachmachen. Ganz trifft dies auf Alita: Battle Angel nicht zu, obwohl man auch hier sagen kann, dass Cameron die Welt dieser Geschichte nun nicht einfach nach gängigen Sci-Fi-Utopia-Klischees aufgebaut hat. So ist Iron City im Grunde Panama City, was daher kommt, dass die schwebende Stadt Zalem, die eigentlich nicht schwebt, sondern eine Art Weltraumaufzug ist, physikalisch gesehen am Äquator liegen muss. Dadurch beherrschen auch lateinamerikanische Einflüsse das Stadtbild.
Camerons ursprünglicher Plan war es, die Hauptfigur Alita komplett am Computer zu erschaffen. Doch die in den letzten Jahren immer weiter verbesserte Motion-Capture-Technik erlaubte es ihm, eine echte Schauspielerin zu nehmen, die mit den anderen Darstellern interagieren konnte und deren Gesicht und Körper hinterher einfach digital „übermalt“ wurden. Rosa Salazar übernahm die Rolle der Alita, in weiteren Rollen sind Charakterköpfe wie Jennifer Conelly, Mahershala Ali und Jackie Earle Haley zu sehen. Auch einige Rodriguez-Film-Familienmitglieder haben kleinere Rollen. So ist Eiza González, die in der von Rodriguez produzierten Serie From Dusk Till Dawn die Rolle von Salma Hayek aus dem Film spielt, ein Killer-Cyborg, auf den ein Kopfgeld ausgesetzt ist. Michelle Rodriguez ist als Ausbilderin von Alita in ihren Flashbacks zu sehen. B-Movie-Legende Jeff Fahey, der in Planet Terror und Machete bereits mit Rodriguez arbeitete, ist als McTeague zu sehen, ein „Hunter-Warrior“, der ein Rudel von Cyborg-Hunden befehligt.
Für Diskussionen im Vorfeld sorgte die Entscheidung der Macher, Alita nach ihrem gezeichneten Vorbild im Film zum Leben zu erwecken. Besonders ihre großen Augen stechen dabei natürlich hervor und sorgen immer wieder für den Uncanny-Valley-Effekt. Sie ist bis in die kleinste Pore und Hautunreinheit detailliert entworfen, was technisch gesehen schon sehr herausragend ist. Beim Zuschauer erzeugt diese fotorealistisch entworfene Figur leider oft das genaue Gegenteil, kurioserweise je mehr man versucht, eine künstliche Figur menschlich zu machen. Ich persönlich habe da nicht so das Problem mit, zumal die Interaktion mit den „realen“ Darstellern wirklich flüssig ist und es für mich weitaus überzeugender wirkt als in Filmen wie Polar Express oder Spielbergs The Adventures of Tintin, in denen alle Darsteller mit dem Mo-Cap-Verfahren digital übermalt wurden.
Natürlich hat der Film auch seine Schwächen. Man merkt ihm an, dass hier die ersten vier Bände des Mangas in einen Film gestopft wurden. Es passiert viel und eigentlich doch zu wenig. Besonders im letzten Drittel kommt der Film nicht auf den Punkt und verliert sich in immer weiteren Wiederholungen bereits gesehener Dinge. Zugegebenermaßen segnen einige Figuren das Zeitliche, von denen ich es nicht unbedingt erwartet hätte, besonders im Hinblick auf eine Fortsetzung. Die Action ist zwar rasant, aber eigentlich auch nichts Besonderes. Die Verpflichtung von Robert Rodriguez hatte vielleicht auch damit zu tun, dass er durch Filme wie seine Spy-Kids-Reihe oder auch die beiden Sin-City-Verfilmungen bereits viel Erfahrung hat mit Filmen, die hauptsächlich mit Green Screen und am Computer entstehen. So wurde Alita: Battle Angel dann auch in seinen Troublemaker Studios in Texas gedreht. Sein Stil ist allerdings kaum zu erkennen. Diesen Film hätte auch ein anderer Regisseur genau so drehen können.
Für die Musik verpflichtete man Tom Holkenborg, der unter seinem Pseudonym Junkie XL nicht nur im Pop-Bereich tätig war, sondern auch Scores zu Filmen wie Deadpool oder Mad Max: Fury Road komponierte. Seine Musik ist vielleicht die größte Überraschung im Film. Denn unter tatkräftiger Mithilfe von Orchestrator Conrad Pope entstand ein großorchestraler Score, den man von diesem Komponisten und für so einen Film nicht unbedingt erwarten konnte. Natürlich gibt es auch hier viel dräuende Spannungsmusik, aber die Motive und Themen sind schon recht klangschön und stechen auch im Film immer wieder heraus. Und das alleine ist heute im Blockbusterbereich nicht mehr selbstverständlich. So gibt es neben einem heroischen Thema für Alita auch ein Love Theme für die Beziehung zwischen Alita und Hugo. Das Soundtrack-Album erschien bei Milan Records als CD, LP und digital. In Asien hat das Soundtrack-Album exklusiv einen Track mehr.
Nachdem der Kinostart mehrmals verschoben wurde, ist der Film nun weltweit gestartet und sorgte bei den Machern für Ernüchterung. Während die Kritiker den Film weitaus schlechter bewerten als das Publikum, schlägt sich das in den Zahlen nicht wirklich nieder. Die 170-Millionen-Dollar-Produktion hat in den USA bisher gerade mal 75 Millionen Dollar eingespielt und auch wenn weltweit bisher schon über 360 Millionen Dollar zu Buche stehen, wird es der Film schwer haben, zumindest eine schwarze Null am Ende zu schreiben. Der Filmmarkt in China sorgte in den letzten Jahren dabei immer wieder für Überraschungen. Filme wie Pacific Rim oder World of Warcraft, die in den USA floppten, bekamen oder bekommen dennoch eine Fortsetzung, da sie in China so gut gelaufen sind und die schlechten US-Ergebnisse damit wett gemacht haben. Bei Alita: Battle Angel sieht es dagegen schlecht aus. Während der Film in China in der ersten Woche noch 160 Millionen Dollar Einspielergebnis verbuchen konnte, brach das Ergebnis bereits in der zweiten Woche um über 60 % ein. Dazu kommt noch, dass die Studios von den Umsätzen in China nur 25 % bekommen. Somit sieht es für eine Fortsetzung, auf die der Film ausgelegt ist, schlecht aus. Besonders für Rodriguez ist das schade, da seine Karriere in den letzten Jahren eher unter „Ferner liefen“ zu finden ist. Aber fairerweise muss man sagen, dass er auch schon lange keinen wirklich guten Kracher mehr abgeliefert hat. Planet Terror war der letzte dieser Art, aber im Grunde bleiben seine besten Arbeiten die „analogen“ Desperado und From Dusk Till Dawn.
Kann ich den Film empfehlen? Das kommt wohl drauf an, mit welchen Erwartungen man ins Kino geht. Sucht man eine originelle Manga-Verfilmung, ist man hier wohl falsch beraten. Sucht man einen Film, der einfach nur zwei Stunden unterhalten will und stört man sich nicht an ausgelutschten, dramaturgischen Kniffen, kann man durchaus einen Blick riskieren. Man sollte sich aber im Klaren darüber sein, dass man wohl nicht erfahren wird, wie es weitergeht.