Deutschen Filmen wird oft vorgeworfen, sie seien glanzlos oder dass die deutsche Filmlandschaft nichts anderes könne als Kriegsdramen oder Problemfilme. Da trifft es sich gut, dass LARA keine Komödie ist und auch sonst genau in dieses Muster hinein passt.
Lara (Corinna Harfouch) lebt alleine in einer kleinen Wohnung in Berlin. Es ist ihr 60. Geburtstag. Ihre spröde und wenig herzliche Persönlichkeit führte dazu, dass sich nach und nach alle aus ihrer Familie von ihr abgewandt haben. Nun spielt aber ihr Sohn Viktor Jenkins das wohl wichtigste Klavierkonzert seines Lebens genau an diesem Tag. Sie selbst ist ebenfalls eine begabte Pianistin, doch sie brach ihre musikalische Ausbildung ab, da ihr Professor ihr immer wieder sagte, dass sie nicht gut genug wäre. Daher legte sie ihr ganzes Herzblut und ihren ganzen Ehrgeiz in die Ausbildung ihres Sohnes Viktor. Doch dieser litt unter seiner strengen Lehrerin und auch Laras Mutter gab immer wieder zu bedenken, dass Lara ihren Sohn zu streng erziehe.
Schon seit Wochen erreicht sie Viktor nicht mehr telefonisch, also hat sie Angst, dass sie bei seinem Konzert vielleicht nicht willkommen ist. So kauft sie die restlichen Karten für das Konzert selber auf, um sie an verschiedene Leute zu verteilen. Sie möchte unbedingt, dass ihr Sohn den Erfolg hat, der ihr immer verwehrt blieb.
So spröde, glanzlos und fast schon unfähig darin, Gefühle auszudrücken wie Lara, ist auch der Film selbst. In statischen, flachen Einstellungen, meist Totalen oder Halbtotalen, erzählt Regisseur Jan-Ole Gerster die Geschichte eines von Ehrgeiz zerfressenen Charakters, der Liebe und Anerkennung erzwingen möchte, sie aber nicht erkennt, wenn sie ihm freiwillig entgegengebracht wird. Hat Lara also ihr Leben vergeudet auf der Suche nach Etwas, das sie jederzeit hätte haben können, wenn sie nur nicht so auf sich selbst fokussiert gewesen wäre? Der Film gibt darauf nur bedingt eine Antwort, da er leider nicht konsequent genug ist und den Zuschauer mit einem offenen Ende zurück lässt, in das man auch ein vermeintliches Happy End hineinlesen könnte, was dem Film und der Reise, die seine Hauptfigur durchlebt, eher schlecht bekommt. Es nimmt dem Ganzen einfach die emotionale Wucht, die der Film ansonsten am Ende hätte haben können.
Die Filmmusik und auch das Klavierkonzert von Viktor komponierte Arash Safaian. Eingespielt wurde die Musik von der deutsch-japanischen Star-Pianistin Alice Sara Ott und dem Deutschen Kammerorchester Berlin. Bei den Score-Stücken musste ich immer wieder an Horrordramen aus den 70er Jahren denken. Ich weiß nicht mal genau, warum. Vielleicht wegen des leicht knarzigen Klangs der Solo-Instrumente. Der Song Il jouait du piano debout von France Gall taucht immer wieder als Motiv im Film auf. Der Titel bedeutet so viel wie „Stehend spielte er Klavier“ und handelt von einem Pianisten, der rebelliert. Das passt im Kontext des Filmes sowohl zu Viktor, der sich einerseits noch zu seiner Mutter hingezogen fühlt, sich aber dann, auch mit seiner eigenen Komposition beim Klavierkonzert, von ihr emanzipiert, als auch zu Lara selbst, die ihr Schicksal nicht akzeptieren und einen Weg zurück zu ihrem Sohn finden will.
Die Filmusik erschien digital bei Deutsche Grammophon.
Corinna Harfouch brilliert in der Hauptrolle, spielt Lara mit einer beeindruckenden Intensität, die aber nie die anderen Charaktere aus dem Film drängt. Auch die Nebenrollen sind mit Tom Schilling, Rainer Bock und Volkmar Kleinert sehr gut besetzt und jede Figur trägt ihren Teil zu Laras Suche nach ihrem verlorenen Leben bei. Ein wenig kam mir der Film ELLE von Paul Verhoeven in den Sinn. Die Geschichte ist zwar eine andere, aber Isabelle Huppert passt einfach sehr gut als Vorbild für Corinna Harfouchs Lara. Beides sind Frauen, die charakterlich eigentlich nicht sonderlich sympathisch sind, denen man sich als Zuschauer nicht entziehen kann, wenn man sich auf sie einlässt.