Ich sehe was, was du nicht siehst – THE INVISIBLE MAN

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Der Unsichtbare gehört zu den berühmten, sogenannten Universal-Monstern der 1930er Jahre, zusammen mit seinen populäreren Vertretern Dracula, Frankenstein und dem Wolfsmenschen. Nicht zu vergessen natürlich die Mumie. Diese erfuhr in den letzten 20 Jahren ein kleines Revival. Zunächst durch die Filme mit Brendan Frasier, die sich auf eine eher humorvolle Art dem Ganzen näherten und 2017 dann durch den Film mit Tom Cruise. Dieser sollte der Auftakt des sogenannten „Dark Universe“ sein. Universal plante in Zeiten von Comicfilm-Universen, wie denen von Marvel und DC Comics, sein eigenes Universum und was schien da näher, als die alten Monster wieder aus der Kiste zu holen? Neue Verfilmungen von CREATURE FROM THE BLACK LAGOON oder auch BRIDE OF FRANKENSTEIN wurden angeleiert und es gab sogar einen Teaser von Universal, welche Monster man in Zukunft wieder auf der Leinwand sehen könnte. Doch der finanzielle und auch künstlerische Misserfolg von THE MUMMY ließ Universal die Pläne erst einmal auf Eis legen und mittlerweile schließlich endgültig begraben.

Stattdessen entschied man sich dazu, eine Reihe kleinerer, eigenständiger Filme zu produzieren. Den Auftakt macht nun THE INVISIBLE MAN, der in der Planungszeit des „Dark Universe“ noch mit Johnny Depp besetzt werden sollte. Und auch die Prämisse dürfte damals noch eine andere gewesen sein. Produzent Jason Blum, der mit seiner Firma „Blumhouse Productions“ in den letzten zehn Jahren eine steile Karriere hingelegt hat, da er für sich die Nische des kommerziellen Low-Budget-Horrors entdeckt hat (INSIDIOUS, THE CONJURING), äußerte immer wieder starkes Interesse daran, an einer Neuauflage der Universal-Monster beteiligt zu sein. Er engagierte Leigh Whannell, der als Co-Autor mit Regisseur James Wan die SAW– und INSIDIOUS-Reihe ins Leben gerufen hat. Er führte auch Regie bei INSIDIOUS CHAPTER 3. Neben der Regie übernahm Whannell auch das Drehbuch für THE INVISIBLE MAN.

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Cecilia Kass lebt in einer unglücklichen Beziehung. Ihr Freund, der reiche Wissenschaftler Adrian Griffin, misshandelt sie nicht nur emotional, sondern kontrolliert durch sein manipulatives Wesen ihr Leben. Eines Nachts betäubt sie ihn, um vor ihm fliehen zu können. Das große Anwesen befindet sich mitten in einem Waldgebiet, sodass Cecilia diesen erst durchqueren muss, bevor sie die Straße erreicht, an der ihre Schwester schon im Auto wartet. Adrian verfolgt sie und bekommt sie fast noch zu fassen, doch den beiden Frauen gelingt die Flucht. Zwei Wochen später erhält Cecilia die Nachricht, dass Adrian sich umgebracht hat. Sein Bruder Tom, ein Anwalt, sucht sie auf und eröffnet ihr, dass Adrian ihr fünf Millionen Dollar hinterlassen hat, die über einen Zeitraum von mehreren Jahren ausgezahlt werden sollen. Emotional immer noch gezeichnet von der Beziehung beschließt Cecilia, ein neues Leben anzufangen. Alles scheint gut zu laufen, doch nach und nach häufen sich mysteriöse Vorfälle in ihrem Haus. Gegenstände verschwinden, Cecilia fühlt sich beobachtet. Und tatsächlich scheint sich ein unsichtbares Wesen in ihrer Nähe aufzuhalten. Oder sind das nur Wahnvorstellungen aufgrund ihres labilen, emotionalen Zustands?

Leigh Whannell überträgt das Thema „Häusliche Gewalt und die Folgen für die Betroffenen“ gekonnt in seinen Psychothriller, kommt dabei aber leider nicht ohne Klischees aus. Die Hauptfigur verhält sich in Gegenwart anderer natürlich immer so aufgedreht und manisch, dass sie alle nur für verrückt halten können. Keiner glaubt ihr lange Zeit, das typische Muster also. Elisabeth Moss glänzt in der Hauptrolle als emotional gequältes Wesen, das immer näher an den Abgrund zu rücken droht. Der Film erzählt die Geschichte aus ihrer Perspektive, eine clevere Entscheidung, die so manche dramaturgische Unebenheit umschifft. Moss trägt den Film auf ihren Schultern und der Horror, den sie durchlebt, überträgt sich auch auf den Zuschauer. Dazu kommt eine eher zurückhaltende Inszenierung von Whannell, was dem Ganzen ebenfalls gut tut, auch wenn sie nicht ohne die obligatorischen Jump-Scares auskommt.

Nur das Finale des Films fällt etwas ab. Whannell scheint die Shyamalan-Krankheit zu haben, die bewirkt, dass ein Film am Ende immer einen Twist haben muss, egal, ob er dazu passt oder überhaupt gut oder clever ist. Das konnte Whannell auch schon beim ersten SAW und in DEAD SILENCE ausleben. Das Ratespiel, wer nun wirklich hinter den Vorkommnissen steckt, ist im Grunde keines, da alles doch relativ klar ist. Und auch der Zufall, mit dem Cecilia am Ende die Wahrheit vom Täter erfährt, ist lahm, weil man diesen Zufall, beziehungsweise die Doofheit des Täters, schon so oft gesehen hat. Den brillianten, aber charakterlich eher bösen Wissenschaftler, der seine Machtphantasien als Unsichtbarer auslebt, gab Kevin Bacon bereits im Jahr 2000 in Paul Verhoevens HOLLOW MAN. Doch anders als dieser Film erzählt THE INVISIBLE MAN eben die Geschichte des Opfers. Und das sorgt durchaus für spannende Unterhaltung, auch wenn der Film mit über zwei Stunden Laufzeit einen Tick zu lang geraten ist.

Die Musik komponierte Benjamin Wallfisch, aus dem Team Hans Zimmers. Wallfisch wurde in den letzten Jahren eine Art Experte auf dem Gebiet, vertonte neben Blockbustern wie BLADE RUNNER 2049 viele Horrorfilme, darunter IT, IT CHAPTER TWO, LIGHTS OUT und A CURE FOR WELLNESS. Wirklich herausragend ist seine Musik zu THE INVISIBLE MAN allerdings nicht. Sie bedient funktional ihre Rolle im Film, kommt aber selten über Spannungsbrummeln und Lautstärke-Attacken hinaus. Das Album ist bei Back Lot Music erschienen.

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Es wurde bereits eine Art Spin-off angekündigt. THE INVISIBLE WOMAN, ebenfalls ein Universal-Monster, steht wohl bereits in den Startlöchern. Schauspielerin Elisabeth Banks sollte die Hauptrolle spielen, Drehbuch und Regie übernehmen. Zuletzt tat sie das bei der Neuauflage von CHARLIE’S ANGELS, der aber ebenfalls kommerziell und bei den Zuschauern durchgefallen ist. Nun wird sie wohl „nur noch“ die Hauptrolle spielen und eventuell Regie führen.

Die Rechnung von Jason Blum ist wieder einmal aufgegangen. Bei einem Budget von gerade mal sieben Millionen Dollar hat THE INVISIBLE MAN weltweit bisher über 100 Millionen Dollar eingespielt. Besonders das tolle Spiel von Elisabeth Moss und die atmosphärische Inszenierung sorgen für einige Gänsehautmomente. Und vor was fürchtet man sich mehr, als vor etwas, dass man nicht sehen kann, aber weiß, dass es da ist?

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