Der Ausbruch von Corona hält das gesellschaftliche Leben immer noch im Zaum. Fast wähnt man sich wie in einer Zeitblase, aus der es keinen Ausweg mehr zu geben scheint. Passenderweise kommt mit TENET nun doch ein Film ins Kino, in dem es ebenfalls um Zeit geht und um Dinge, die man verhindern oder verändern kann.
Doch der Weg ins Kino war für TENET kein leichter. Ursprünglich war der Kinostart für den 17.07. geplant. Doch der weltweite Ausbruch von Corona legte ab März das gesellschaftliche Leben erst mal lahm. Auch Kinos mussten schliessen und ohne Kinos gab es auch keine neuen Filmstarts. Das brachte die großen Filmstudios natürlich in eine prekäre Situation. Sie hatten bereits hunderte von Millionen Dollar für ihre Filme ausgegeben und blieben jetzt erst mal auf den Kosten sitzen. Die für den Sommer eingeplanten Blockbuster, wie der neue James Bond NO TIME TO DIE und WONDER WOMAN 84, wurden nach erstem Abwarten zunächst ins Jahr 2021 verschoben, sollen nun aber doch noch Ende des Jahres das Licht der Kinowelt erblicken. Und auch TENET schien dieses Schicksal zu ereilen. Zunächst wurde er um zwei Wochen auf den 31.07. verschoben, danach auf den 12.08. und schliesslich erst mal auf unbestimmte Zeit auf Eis gelegt.
Die Lage in der Pandemie hat sich weltweit etwas entspannt und auch Kinos durften unter strengen Auflagen wieder öffnen. Daher hielt das Studio Warner Bros. dann doch daran fest, den Film noch dieses Jahr in die Kinos zu bringen. Doch die Infektionszahlen in den USA stiegen weiter rasant an, was zur erneuten Schliessung von Kinos dort führte. TENET bekam eine Art Schicksalsrolle zugesprochen. Könnte dieser Film die Kinos in der Pandemie retten? Würden die Leute trotz der Risiken ein Kinoticket kaufen? Das Studio riskierte es, auch einen finanziellen Verlust, und brachte TENET nun in die internationalen Kinos. In den USA soll der Film ab dem 03.09. in ausgewählten Kinos zu sehen sein. Damit ist TENET der erste große Studiofilm, der seit dem Lockdown in den Kinos startet.
Der Protagonist des Films wird auch tatsächlich so genannt, er hat keinen Namen. Alles beginnt mit einem Anschlag auf ein Opernhaus in Kiew, bei dem der Protagonist und sein Kollege, beide von der CIA, mit einer russischen Truppe eingreifen. Der Protagonist kann den Behälter, in dem sich vermeintlich Plutonium befindet, sicherstellen, entscheidet sich aber auch, die Zuschauer im Opernhaus zu retten, in dem er die angebrachten Sprengsätze entfernt. Dabei kommt ihm eine vermummte Gestalt zu Hilfe, die sich scheinbar in der Zeit zurück bewegt.
Wieder im Van stellen die Russen fest, dass sie gelinkt wurden und foltern den Protagonisten. Dieser schluckt eine vermeintliche Selbstmordpille, wacht aber auf einem Schiff auf dem Meer wieder auf. Dort erfährt er von seinem nächsten Auftrag, „Tenet“. In der Zukunft ist es den Menschen gelungen, die Entropie von Objekten umzukehren. Sprich, Gegenstände, aber auch Menschen, können invertiert werden und in der Zeit zurück gehen. Allerdings nur temporal. Und irgendjemand greift scheinbar von der Zukunft aus die Gegenwart an, um die Menschheit zu vernichten. Hier kommt der Waffenhändler Andrei Sator ins Spiel, der auf der Suche nach den Teilen der Maschine ist, die diese Inversion auslösen kann.
Filme, in denen es um das Spiel mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft geht, leiden immer an dem sogenannten Großvater-Paradoxon, welches im Film sogar angesprochen wird. Es besagt, dass man nicht in der Zeit zurück reisen könne, um seinen eigenen Großvater zu töten, denn sonst wäre man selbst nie geboren worden und hätte so auch nie in der Zeit zurück gehen können. Diesem Paradoxon entkommt auch Christopher Nolans neuer Film nicht ganz, aber der Autor und Regisseur versucht es dadurch zu lösen, dass die Inversion zwar festgelegte Ereignisse auslöst, diese sich aber durch das Wissen des Protagonisten in der Zukunft auch in der Vergangenheit anpassen können. So bewegt sich der Film in rasantem Tempo durch die immer komplexer werdenden Zeitschleifen, löst diese am Ende aber auch alle logisch auf.
Wie von Nolan gewohnt, ist der Film vom technischen Aspekt her sehr beeindruckend. Die Wucht der Bilder erklärt sich auch dadurch, dass Nolans Filme „real“ aussehen und nicht wie eine CGI-Schlacht. Doch genau diese technische Verbissenheit lässt mich bei Nolan immer wieder das menschliche, die emotionale Seite vermissen. Dabei ist es nicht so, dass es keine emotionalen Szenen bei Nolan gäbe. Doch diese wirken oftmals seltsam kühl und gestelzt, als würde hier jemand über Liebe und andere Gefühle sprechen, der selber gar nicht weiß, was das ist. Auch in TENET ist das so, was nicht an den Darstellern liegt, denn die machen ihre Sache sehr gut. John David Washington glänzt in der Hauptrolle mit beinahe schon Bond-mäßiger Coolheit, Robert Pattinson ergänzt ihn da sehr gut, ohne einfach nur der Sidekick zu sein. Und vor allem Kenneth Branagh spielt den diabolischen Waffenhändler Sator recht eindringlich, wenn auch hier und da vielleicht etwas over the top. Elizabeth Debicki, bekannt aus GUARDIANS OF THE GALAXY VOL.2 und THE CLOVERFIELD PARADOX, spielt Kat, die Frau von Sator, die zum Dreh- und Angelpunkt der Geschichte wird. Wohl auch deshalb besetzte Nolan die Rolle mit der Australierin, die mit ihrer Körpergröße von 1,90 Metern allen anderen Charakteren zumindest optisch überlegen ist. Zudem trägt sie meist auch noch hohe Schuhe und überragt damit auch den Protagonisten um eine Kopflänge.
Das Wort „Protagonist“ bedeutet im Griechischen so viel wie „Erst-Handelnder“ und passt damit natürlich sehr gut auf die Hauptfigur des Filmes, was am Ende nach der Auflösung umso deutlicher wird. Auch das Wort „Tenet“, welches so viel wie „Grundsatz“ bedeutet, wurde nicht zufällig gewählt. Es ist ein sogenanntes Palindrom, also ein Wort, welches vorwärts und rückwärts gelesen werden kann. Doch all diese vermeintlichen Raffinessen können nicht ganz darüber hinweg täuschen, dass die eigentliche Handlung doch etwas hanebüchen ist und ich am Ende das Gefühl nicht los wurde, diese ganzen Zeitloops und Verknüpfungen in Filmen wie 12 Monkeys schon mal gesehen zu haben. Nolans Filmen wird oft vorgeworfen, dass sie sich für cleverer halten, als sie eigentlich sind und in diesem Fall würde ich dem vorsichtig zustimmen.
Seit seiner Batman-Trilogie arbeitet Nolan eigentlich mit Hans Zimmer zusammen, der die vor allem laute Musik in seinen Filmen verantwortet. Doch hier kam es nun zu einem Terminkonflikt, da Zimmer zeitgleich am neuen DUNE arbeitete. Durch die Corona-bedingten Verschiebungen wäre dieser Terminkonflikt zwar hinfällig gewesen, aber das konnte Anfang des Jahres noch keiner ahnen. Für Zimmer sprang Ludwig Göransson ein, der schon die beiden CREED-Filme, sowie BLACK PANTHER und aktuell auch die Star-Wars-Serie THE MANDALORIAN vertonte. Und er bleibt Zimmers Stil für Nolans Filme treu. Die Musik ist vor allem laut und donnert durch den Kinosaal. Dabei ist sie nicht sonderlich melodiös, sondern peitscht mit pulsierendem Bass und hämmernden Beats die Action voran. Das klappt teilweise recht gut, teilweise ging es mir aber irgendwann auch auf die Nerven. Göransson spielt hier natürlich auch mit der Zeit-Thematik des Filmes und so sind auch immer mal wieder rückwärts laufende Klänge zu vernehmen. Ein Soundtrack-Album wird digital erscheinen.
TENET ist nun kein schlechter Film. Trotz seiner Schwächen weiß er doch zu unterhalten und den Zuschauer zu packen. Die Zeitschleifen wirken auf den ersten Blick zu komplex und verworren, ergeben bei genauerem Nachdenken aber Sinn. Allerdings fühlte ich mich von Nolan-Filmen wie INTERSTELLAR emotional mehr gepackt als von TENET. Mit 225 Millionen Dollar Budget ist es der bisher teuerste Film Nolans, auch angesichts INTERSTELLAR eine Leistung. Ob sich der Mut des Studios gelohnt hat, werden die nächsten Wochen zeigen.