Die Realität ist real – READY PLAYER ONE

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Die Retro-Welle hält nun schon seit einigen Jahren Einzug in Film und Fernsehen. Besonders die bunten 80er Jahre bieten einen schier unerschöpflichen Fundus an popkulturellen Ereignissen. Es ist das Sehnen in eine vermeintlich bessere Zeit, verbunden mit der Liebe zu dem, was man schon seit seiner Kinder- und Jugendzeit kennt. In Hollywood hat man diesen Trend natürlich schon lange erkannt und der Erfolg von Serien wie STRANGER THINGS bestätigt die Nachfrage. Waren bisher Fortsetzungen das Maß aller Dinge, wenn man auf einen bekannten Namen setzen wollte, so kamen in den letzten Jahren vermehrt sogenannte „Reboots“ dazu. Hier nimmt man sich einfach einen bekannten Film oder bekannte Serie und verfilmt die Geschichte neu. So kam es zu Wiederbelebungen von Serien wie TWIN PEAKS und THE X-FILES, wobei diese beiden tatsächlich Fortsetzungen und keine Neuverfilmungen sind, im Gegensatz zu aktuellen Neuauflagen wie LOST IN SPACE, MACGYVER oder LETHAL WEAPON.

So ist es auch nicht verwunderlich, dass Ernest Cline mit seinem 2010 erschienenen Roman READY PLAYER ONE einen Bestseller landete. Von vielen als eine Art Bibel der Popkultur gesehen, reist Cline auch hier in eine Zeit zurück, in der Computertechnik noch nicht selbstverständlich in unseren Wohnzimmern war und gefühlt jeder erfolgreiche Film oder Serie für immer im Gedächtnis der Öffentlichkeit zu verweilen scheint. Doch gleich vorweg: Spielberg reduzierte einige Passagen des Buches auf kurze Erwähnungen in seinem Film und änderte andere Settings ganz ab.

Wir schreiben das Jahr 2045. Die Großstädte der Erde sind zu einer Art kollektivem Slum geworden, in denen die Bewohner in aufeinander gestapelten Wohnungen, den „Stacks“, leben. Aufgrund der vorherrschenden Armut gelingt es kaum jemandem, sich aus diesen Slums zu verabschieden. Da es im realen Leben für die Menschen nicht mehr viel zu erleben gibt, flüchten sie sich immer wieder in die OASIS. Die OASIS ist eine riesige, virtuelle Welt, in der man schier unendlich viele Multiplayer-Online-Spiele bestreiten kann. Der Erfinder der OASIS, James Halliday (Mark Rylance), war ein Nerd, wie er im Buche steht. Er saugte aus der Popkultur alles auf und katalogisierte das sogar für sich. So kann man in der OASIS in die verschiedensten Avatare schlüpfen, die allesamt aus Filmen, Videospielen, dem Fernsehen oder Büchern stammen.

Wade Watts (Tye Sheridan) lebt ebenfalls in den „Stacks“, bei seiner Tante und ihren immer wieder wechselnden Lebensgefährten, da seine Eltern tot sind. Auch er flüchtet sich immer wieder in die OASIS, wo er unter dem Namen Parzival die verschiedenen Welten aufsucht. Nun ist der Erfinder Halliday im Jahr 2040 gestorben, aber er hat eine Aufgabe hinterlassen. Per Videobotschaft informierte er die Spieler, dass er ein „Easter Egg“ in der OASIS versteckt hat. Wer dieses „Easter Egg“ findet, erhält nicht nur die kompletten Anteile an Hallidays Firma im Wert von einer halben Billion US-Dollar, sondern auch die Kontrolle über die OASIS. Um zum „Easter Egg“ zu gelangen, müssen die Spieler drei Schlüssel finden, die an verschiedenen Orten in der OASIS versteckt sind. Wade, der auch in der Realität sein Leben in den Slums verlassen will, kämpft mit tausenden anderer Spieler um das „Easter Egg“. Doch zunächst braucht auch er die Schlüssel.

Der erste Schlüssel ist in einem Rennspiel versteckt. Wer das Rennen in einer virtuellen Stadt gewinnt, erhält den ersten Schlüssel. Doch bisher hat es noch niemand geschafft. Man tritt nicht nur gegen unzählige Mitspieler an, sondern auch gegen die Spieler des Konzerns IOI (Innovative Online Industries), der sich die OASIS einverleiben will. Außerdem gibt es viele Tücken auf der Strecke, wie Hindernisse, die auf der Straße auftauchen oder auch King Kong, der nicht nur die Strecke zerstört, sondern auch die Spieler jagt. Wade fährt als Prazival den DeLorean aus BACK TO THE FUTURE in diesem Rennen, aber auch andere bekannte Filmautos, wie das Bat-Mobil aus der 60er-Jahre-TV-Serie, der Van des A-Teams, das Auto von Mad Max oder das Killerauto Christine aus der gleichnamigen Stephen-King-Verfilmung, tauchen hier auf.

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Nachdem wieder niemand das Rennen gewonnen hat, macht sich Parzival auf in das „Halliday-Journal“, einer Art Bibliothek, in der alle Fotos, Videos und sonstigen Aufzeichnungen von Halliday gespeichert sind. Er hofft so, Hinweise darauf zu finden, wie man das Rennen gewinnen kann. Und tatsächlich entdeckt er in einem Video, in dem Halliday mit seinem damaligen Geschäftspartner Odgen Morrow (Simon Pegg) zu sehen ist, ein Zitat von Halliday, „Warum können wir nicht einmal rückwärts gehen?“. Also fährt Parzival beim nächsten Rennen von der Startlinie aus rückwärts und kann so tatsächlich das Rennen gewinnen. Das ruft Nolan Sorrento (Ben Mendelsohn), den Chef von IOI auf den Plan. Er will die Kontrolle über die OASIS, um Profit daraus zu schlagen.

Achtung Spoiler!

Beim Rennen lernt Parzival die Spielerin Art3mis (Olivia Cooke) kennen, in die er sich verliebt. Zusammen machen sie sich auf die Suche nach den zwei weiteren Schlüsseln. Dabei helfen ihm auch noch die Spieler Aech, Daito und Sho, die er nur in ihren Avataren aus der OASIS kennt. Die Lösung des zweiten Rätsels finden sie in einem exakten Nachbau des Overlook Hotels aus Stanley Kubricks THE SHINING. Die gesamte SHINING-Sequenz ist das Highlight des Filmes. Zum Verwechseln ähnlich sehen die Räume des Hotels aus, wie man sie aus Kubriks Film kennt. Dazu gehören auch das Zimmer 237, die Blutflut in den Gängen, die Zwillingsschwestern und das verschneite Gartenlabyrinth.

Sorrento möchte Parzival töten und durch eine Unachtsamkeit Wades weiß Sorrento nun, wer Prazival in der Realität ist. Sorrento schickt seinen Drohnen, um die betroffenen „Stacks“ in die Luft zu jagen, aber Wade ist nicht zuhause. So kommen nur seine Tante und ihr Freund ums Leben. Wade wird dann aufgespürt von Art3mis, die in der Realität Samantha Cook heißt und einer Rebellion angehört, die verhindern will, dass IOI die Kontrolle über die OASIS erlangt. So lernt Wade auch die realen Personen hinter den Spielern Aech, Daito und Sho kennen. Zusammen entschlüsseln sie das Rätsel um den dritten Schlüssel. Dieser ist in einem alten Atari-Videospiel versteckt, welches sich in der Spielwelt „Planet Doom“ befindet. Doch Sorrento, der sich ebenfalls in der OASIS befindet, hat mithilfe einer magischen Kugel eine Art Schutzschild über dem Schloß errichtet, in dem sich das Videospiel befindet. Parzival ruft alle Spieler dazu auf, sich ihm anzuschliessen und gemeinsam gegen IOI zu kämpfen. So kommt es zu einer epischen Schlacht unzähliger Charaktere aus Filmen, Büchern, Videospielen und TV-Serien. Art3mis kann den Schutzschild abschalten und Parzival erlangt den dritten Schlüssel und findet das „Easter Egg“.

Spoiler Ende!

Die erste Hälfte des Filmes kam mir etwas zäh vor. Es gibt keine wirkliche Einführung in die Welt, in der wir uns befinden. Was es mit den „Stacks“ auf sich hat, wird kurz von Wade in einem Off-Kommentar zusammengefasst, bevor wir uns in der OASIS befinden und von einer Bilderflut beim Rennen überfahren werden. Danach lernen wir die Hauptfiguren etwas näher kennen, deren Hintergründe aber nun auch nicht sonderlich originell sind. Wade will der realen Welt entfliehen. Warum? Seine Eltern sind tot, seine Tante duldet ihn nur und ihr klischeehafter Hinterwäldler-Freund behandelt ihn schlecht. Auch die Dialoge zwischen den Figuren wirken oft zerdehnt und auf witzig getrimmt. Erst mit der Kubrick-Sequenz und der Jagd nach dem zweiten Schlüssel fängt sich der Film und bleibt bis zum Ende hin recht unterhaltsam. Doch während sich das Buch die Zeit nimmt, die reale Welt greifbar zu machen und warum die Menschen darin keinen Platz mehr für sich finden, hakt der Film das in wenigen Minuten aus dem Off ab und so bleibt dem Zuschauer dieser Bezug leider fremd (Wie ist es soweit gekommen? Sind die Menschen glücklich mit diesem Leben? Womit verdienen sie ihr Geld, um ihr Leben zu finanzieren, wenn sie die ganze Zeit in der OASIS sind?).

Quelle: columbusnavigator.com

Namen und Orte haben natürlich auch einen Bedeutung in dieser Welt. Nicht umsonst wird die Geschichte in Columbus, Ohio angesiedelt sein. Immerhin hat auch Columbus eine neue Welt entdeckt. Wade nennt sich in der OASIS Parzival, nach dem Artus-Ritter, der den Heiligen Gral gesucht hat. Und die Suche nach dem „Easter Egg“ ist wie die Suche nach dem Gral, einer Erlösung und einem Versprechen von einer besseren Welt. Sorrento hat eine Assistentin, die zielstrebige F’Nale (Hannah John-Kamen), die Wade in der realen Welt jagt. Ihr Name wird so ausgesprochen, dass es wie „Finale“ klingt. Und tatsächlich spielt sie im großen Showdown des Filmes ihre wichtigste Rolle im Film.

Quelle: filmstarts.de

Der Roman hat viele sozialkritische Aspekte. Die Macht und die Gier des Großkonzerns IOI, der den Ärmsten der Armen noch tiefer in die Tasche greifen will, steht im direkten Gegensatz zur beinahe schon kindlichen Unschuld Hallidays, für den Geld und Profit nie das Ziel seiner Arbeit war. Mark Rylance stellt den Erfinder perfekt als entrückten Träumer dar, der sein Werk nur dem vererben möchte, der es ihm gleich tut. Vor dem Hintergrund erscheint es geradzu absurd, dass die Spieler in der OASIS im Grunde genau das Gleiche wollen, Macht und Geld. Die Kritik daran verpufft also eigentlich, da die Hauptfiguren in ihrem Streben nicht wirklich besser sind als der Konzern. Das Streben nach dem schnöden Mammon wird so auch über Hallidays Botschaft, nie das Spielen zu verlernen und Träume zu haben, gestellt. Das hinterlässt ein etwas ambivalentes Gefühl am Ende des Filmes, auch wenn dieser natürlich Spielberg-typisch den Sieg des Guten über das Böse feiert. Halliday mahnt „Die Menschen müssen mehr Zeit in der realen Welt verbringen“, was natürlich Parallelen zu unserer bereits heute weit vernetzten Welt sind, dennoch stellt der Film die virtuelle Welt als einen besseren Ort dar.

Quelle: wired.com

Es ist unmöglich, beim ersten Sehen des Filmes auch nur annährend alle Figuren und Querverweise auf die Popkultur zu erkennen. Vieles davon ist gefühlt auch nur eine Nano-Sekunde zu sehen und wird dem Zuschauer einfach wie Konfetti ins Gesicht geworfen. Da fühlt es sich schon seltsam an, dass der Film einerseits davon ausgeht, dass der geneigte Fan dennoch so viele Figuren und Referenzen erkennt, er aber andererseits recht offensichtliche Charaktere groß ankündigt, wie Chucky und Mechgodzilla. Beide werden explizit bei ihrem Auftauchen namentlich erwähnt, aber warum gerade sie? Wer den Rest halbwegs erkennt, dürfte auch diese Figuren kennen und wer sie nicht kennt, wird auch mit einer Erwähnung des Namens nicht schlauer.

Im Buch gibt es noch viele weitere Charaktere, wie Ultraman, der im Finale eine große Rolle spielt. Da man für den Film aber die Lizenz für Ultraman nicht bekam, füllt diese Rolle hier der „Iron Giant“ aus, der auch eine schöne TERMINATOR-2-Refernz mit sich bringt. Bei den vielen Waffen spielt auch eine „Heilige Handgranate“ eine Rolle, die Monty-Python-Fans nicht unbekannt sein dürfte. Es ist schon erstaunlich, wie viele Studios ihre Lizenzen für den Film bereitgestellt haben. Sogar das japanische Toho-Studio erlaubte die Verwendung von Mechgodzilla.

Für die Musik war dieses Mal Alan Silvestri (WHO FRAMED ROGER RABBIT, PREDATOR, FORREST GUMP, THE AVENGERS) verantwortlich. Normalerweise vertont John Williams, der seit 1974 mit Spielberg arbeitet, dessen Filme, aber seit damals gab es immer wieder die eine oder andere Ausnahme. Tatsächlich war Williams zunächst vorgesehen, die Musik zu schreiben. Doch als sich abzeichnete, dass sich die Arbeit an READY PLAYER ONE und Spielbergs Film THE POST überschneiden würde, entschied sich Williams, nur THE POST zu vertonen. Damit ging er auch dem aus dem Weg, seine eigene Musik zitieren zu müssen, die im Buch erwähnt wird. Spielbergs Wahl fiel so auf Alan Silvestri, mit dem er als Produzent bereits gearbeitet hat (BACK TO THE FUTURE), aber noch nie als Regisseur. Silvestris Musik wirkt gewollt altmodisch im Film. Wo heute eher Elektronik und Drum Loops das musikalische Bild von Actionfilmen beherrschen, setzen Silvestri und Spielberg auf den orchestralen Klang der 80er Jahre. Das passt natürlich recht gut zu all den Popkultur-Referenzen, aber wirklichen Eindruck hinterlässt Silvestris Musik in den knapp ersten zwei Dritteln des Filmes nicht. Oftmals ist sie unter den Soundeffekten auch kaum zu hören. Am auffallensten sind hier noch die Einarbeitung anderer bekannter Filmmelodien an den entsprechenden Stellen. So bekommen wir nicht nur ein Stück des Tracks „DeLorean Revealed“ aus Silvestris BACK TO THE FUTURE zu hören, die Musik aus diesem Film taucht auch später immer wieder kurz auf. Dazu gesellen sich das King-Kong-Thema von Max Steiner und der Godzilla-Marsch von Akira Ifukube. Erst im Showdown nimmt Silvestris Musik eine größere Rolle ein und weiß dort auch durchaus zu punkten. Hier entfaltet dann auch das von Silvestri komponierte Hauptthema seinen vollen Glanz.

Silvestis Score ist als Doppel-CD erschienen. Außerdem gibt es noch ein zweites Album mit den Songs aus dem Film.

Quelle: amazon.de
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Hier das musikalische Hauptthema:

Im Track „Looking for a Truck“ taucht der Godzilla-Marsch auf (bei ca. 02:13 Minuten):

Und ein wenig BACK TO THE FUTURE gibt es im Track „Real World Consequences“ (bei ca. 01:05 Mminuten):

Steven Spielberg brauchte vergleichsweise wenig Drehtage am Set für READY PLAYER ONE. Das liegt daran, dass die OASIS vollständig aus dem Computer kommt und mit dem Motion-Capture-Verfahren erstellt wurde. Nur die Szenen in der realen Welt sind auch real am Set gedreht worden. Doch die Effekte und Animationen sind wirklich auf höchstem technischen Niveau, sodass die virtuelle und reale Welt gut miteinander harmonieren, obwohl sie optisch doch recht unterschiedlich sind.

Insgesamt ist READY PLAYER ONE ein unterhaltsamer Actionfilm, der in 3D durchaus so manchen Zuschauer schwindlig machen dürfte. Die Sozialkritik hat zwar nur noch eine Alibi-Funktion und auch die Bösewichter sind doch recht eindimensional und oftmals nur Erfüllungsgehilfen, doch wer das ausblenden kann, wird zweieinhalb Stunden lang gut unterhalten. Es erwartet den Zuschauer ein rasanter Film, zwar ohne viel Tiefgang und teilweise recht flachen Figuren, aber mit einer guten Portion Nostalgie und mit Liebe zur Popkultur inszeniert.

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