Hier ist es nun also, das große Finale, auf das Marvel seit dem ersten IRON MAN von 2008 hingearbeitet hat. Zumindest der erste Teil. Beinahe alle Hauptfiguren der vergangenen Marvel-Filme versammeln sich nun hier, um nicht nur die Erde, sondern das ganze Universum zu retten. Ein anspruchsvolles Ziel. Zumindest ist es nicht das „Marvel Cinematic Universe“, das sie retten müssen, denn das läuft wie am Schnürchen.
Der Film beginnt an der Stelle, an der THOR: RAGNAROK endete. Nach der Zerstörung von Asgard machen sich Thor und seine Gefährten in einem Raumschiff auf den Weg zur Erde. Doch auf dem Weg werden sie abgefangen von der „Sanctuary II“, dem riesigen Schiff von Thanos. Dieser ist auf der Suche nach den Infinity-Steinen, die ihrem Träger schier unbegrenzte Macht verleihen. Thanos ist davon überzeugt, dass das Universum ein Gleichgewicht benötigt. Und für dieses Gleichgewicht will er sorgen, auch wenn das bedeutet, dass ganze Planeten ausgelöscht werden müssen. Einen der Steine hat er bereits, den „Stein der Macht“. Zwei weitere Steine befinden sich auf der Erde. Einer im Besitz von Doctor Strange und einer befindet sich auf der Stirn von Vision. Die Avengers selbst sind seit den Ereignissen in CAPTAIN AMERICA: CIVIL WAR zerstritten. Die offiziellen Avengers werden von „Iron Man“ Tony Stark angeführt, während die Splittergruppe im Untergrund auf das Kommando von „Captain America“ Steve Rogers hört. Doch aufgrund der ungeheuren Gefahr, die von Thanos ausgeht, denn auch die Erde muss Opfer bringen, um zum Gleichgewicht des Universums beizutragen, müssen sich die Avengers natürlich wieder zusammenraufen.
Dass die ganze Geschichte nicht ohne Opfer auch seitens der Avengers abläuft, ist im Grunde schnell klar. Von daher sind die entsprechenden Szenen vorhersehbar und auch seltsam unspektakulär. Aber der Reihe nach.
Zunächst mal muss der Film eine unglaubliche Anzahl an Charakteren unterbringen. Das führt natürlich dazu, dass man als Zuschauer etwas in der Luft hängt, wenn man die anderen Filme zuvor nicht mindestens einige Male gesehen hat. Eingeführt werden die Figuren hier natürlich nicht mehr, denn das wurden sie ja bereits in den vorangegangenen Filmen. So erleben wir die Avengers über die halbe Welt verstreut, verharrend in ihren jeweiligen Situationen. Die Vielzahl an Charakteren führt natürlich auch dazu, dass die teils parallel verlaufenden Handlungsstränge halbherzig wirken und möglichst schnell abgespult werden, um alles in den dann doch zweieinhalb Stunden Laufzeit unterzubringen. Als jemand, der nun kein Mega-Marvel-Fan ist und einfach nur einen unterhaltsamen Blockbuster sehen wollte, fand ich diese Passagen über weite Strecken recht fade. Das lag vor allem daran, dass das Drama, das sich darin abspielt, recht eindimensional und nicht weit von einer Seifenoper entfernt war.
Vorsicht, Spoiler!
Einige Dinge im Film kamen mir so vor, als wären sie vorsätzlich aus anderen Filmen oder Geschichten „entliehen“ worden. Als Thanos den Seelenstein auf dem Planeten Vormir, der schon wie eine Figur aus „Herr der Ringe“ klingt, sucht, taucht der Bösewicht Red Skull in einer Art Tempel auf einem Berg auf. Er trägt einen schwarzen Umhang mit einer Kapuze, die sein Gesicht zuerst verdeckt. Die Enden des Umhangs schweben geisterhaft durch die Luft, weshalb mein erster Gedanke war „Das ist doch einer der Ringgeister“.
Die Schlacht um Wakanda, in ihrer Wald- und Wiesenumgebung, erinnerte mich frappierend an die Schlacht auf Naboo in STAR WARS EPISODE I. Die Gefolgsleute von Thanos lassen hier eine Armee von Computerspiel-Monstern auf die Helden los, was der gesichtslosen Druiden-Armee entspricht und selbst kreisförmige Kampffahrzeuge werden wie auf Naboo aufgefahren.
Als Thanos dann am Ende bekommt, was er will und einige der Helden zu Staub zerfallen, kam mir BATMAN HÄLT DIE WELT IN ATEM von 1966 in den Sinn. Hier werden die Führer der Welt von den Bösewichtern mit Strahlern zu Staubhäufchen umgewandelt, bevor Batman und Robin am Ende in der Bat-Höhle eine Möglichkeit finden, den Vorgang umzukehren. Allerdings gebe ich zu, dass ich meine Zweifel habe, dass die Macher diesen Film im Kopf hatten, als sie AVENGERS machten. Dennoch hat Thanos einen Infinity-Stein, mit dem er die Zeit zurückdrehen kann. Diese Macht benutzt er, um an den Stein von Vision zu kommen. Wenn ich wetten müsste, würde ich sagen, dass auch die meisten der „toten“ Avengers auf diese Art wieder zurückkommen.
Und einen „Stein der Macht“ gab es bereits in den 80ern bei der Hörspiel-Serie JAN TENNER. Dieser Zyklus, bei dem die Helden der Serie von Folge 17, „Zweisteins Falle“, bis zur Folge 24, „Befreiung der Erde“, den sagenumwobenen Stein der Macht suchen, um damit die Erde von den feindlichen Leonen, Außerirdischen, zu befreien, dürfte den Machern der AVENGERS allerdings auch eher unbekannt sein.
Spoiler Ende!
Die Musik stammt wieder von Alan Silvestri, der bereits den ersten AVENGERS-Film vertonte, wie auch den ersten CAPTAIN AMERICA. Was musikalische Kontinuität betrifft, so ist es damit bei Marvel nicht weit her. Mit den wechselnden Komponisten kamen auch immer wieder neue Themen für die Figuren, sofern sie überhaupt welche hatten. Daher ist es nicht verwunderlich, dass wohl kaum jemand, selbst unter den Marvel-Fans, musikalische Themen zu den Figuren aus dem Gedächtnis rezitieren könnte. Ausnahmen bestätigen die Regel, das trifft auch auf AVENGERS: INFINITY WAR zu. Denn Silvestri komponierte ein heroisches Thema für diesen Zusammenschluss der Superhelden, welches wohl das markanteste Thema des Marvel-Universums sein dürfte. Und dieses Thema kommt auch prominent in AVENGERS: INFINITY WAR zum Einsatz. Viel mehr passiert musikalisch allerdings auch nicht. In den Actionszenen gibt es hier und da noch ein paar gut voranpeitschende Momente, aber im Großen und Ganzen bleibt die Musik eher eine generische Klangtapete, die kaum mal einen Aha-Effekt erzeugt. Das ist schade, denn so einen eigentlich schon altmodischen, orchestralen Score findet man im heutigen Blockbuster-Bereich nur noch selten. Im Abspann wird dann auch nur das Black-Panther-Theme von Ludwig Göransson als Fremdmaterial aufgelistet. Digital ist das Score-Album bereits erhältlich, auf CD folgt es Ende Mai.
Eines muss man Marvel/Disney lassen: Sie haben mit ihren Filmen eine Fangemeinde aufgebaut, die sich so mit den Figuren darin identifiziert, dass es scheinbar egal ist, dass die meisten ihrer Filme im Grunde immer nach dem gleichen Schema ablaufen. Auch der neue AVENGERS hat inhaltlich kaum Überraschungen zu bieten und dramaturgisch läuft auch alles auf einer konstanten Linie. Im Grunde könnte man sagen, dass die Fans den Film bekommen haben, den sie erwartet haben. Und der Erfolg gibt Disney recht. Innerhalb kürzester Zeit hat AVENGERS: INFINITY WAR sämtliche Rekorde gebrochen und nach nicht mal zwei Wochen weltweit schon fast 1,2 Milliarden Dollar eingespielt.
Als für sich stehender Film hat es AVENGERS: INFINITY WAR aber schwer. Er setzt zwingend voraus, dass sich der Zuschauer zumindest rudimentär mit den Figuren und ihrer Geschichte befasst hat. Es ist wie bei einer Serie, bei der man nur die zweite Hälfte einer Staffel schaut. Aber ohne jegliches Vorwissen bleibt von AVENGERS: INFINITY WAR nicht mehr viel übrig. Das Szenario ist vorhersehbar, das Drama zwischen den Figuren zu kurz und zu ausgelutscht, um wirklich interessant zu sein und auch visuell bietet der Film eigentlich nichts, was man nicht schon vorher gesehen hat. Dass die Marvel-Filme so gut zueinander passen, ist natürlich ein Verdienst an sich einerseits. Andererseits ist diese Gleichschaltung auch ein Grund dafür, warum sich bei vielen Kinogängern mittlerweile eine Übersättigung eingestellt hat. Da ist es dann auch eigentlich egal, wer Regie führt bei diesen Filmen, denn eine eigene Handschrift ist weder erkennbar, noch vom Studio gewünscht.
Alles in Allem ist die Zusammenführung der verschiedenen Figuren eher dröge, aber ein notwendiges Übel, um dann im zweiten Teil, der nächstes Jahr ins Kino kommen wird, so richtig die Sau rauslassen zu können. Es gibt natürlich auch in AVENGERS: INFINITY WAR bereits eine große Schlacht, aber diese scheint nur ein Vorgeplänkel dessen zu sein, was noch folgen soll. Einige der Darsteller, wie Robert Downey jr., haben bereits verlauten lassen, dass sie ihre Superhelden an den Nagel hängen wollen. Irgendwann ist es ja auch mal gut. Man dürfte sich damit aber jetzt schon ausmalen können, für welche Figuren es nach dem zweiten Teil weitergeht und für welche nicht. Zumindest nicht in der alten Form. Aber solange diese Filme derart erfolgreich sind, dürfte diese Vorhersehbarkeit das geringste Problem der Macher sein.