Die Nostalgiewelle ist nicht aufzuhalten. In den letzten Jahren erleben wir, wie alte, teils schon längst in Vergessenheit geratene Franchises, wieder zum Leben erweckt werden. Diese werden dann etwas modern aufpoliert, aber mit genug Anspielungen und Easter Eggs an die alten Filme versehen, damit die Kinder von damals, die Erwachsenen von heute, in Erinnerungen schwelgen können. Meist reicht das aber nicht aus, um einen wirklich guten Film daraus zu machen. Es verkommt zu einem Abklappern von „Weisst du noch?“-Momenten, ohne Mut, etwas Neues zu wagen.
Das GHOSTBUSTERS-Franchise lag lange brach. Nach GHOSTBUSTERS II, der finanziell hinter den Erwartungen zurück blieb, schien der Zug abgefahren. Alle Beteiligten hatten das Kapitel für sich abgehakt, nur Dan Aykroyd, der auch privat ein großes Wissen und Interesse am Paranormalen hat, kämpfte weiter für einen dritten Film. Bereits Anfang der 90er schrieb er ein Drehbuch, aber das Desinteresse des Studios und seiner Co-Stars ließen es beim Drehbuch bleiben. GHOSTBUSTERS war also ein Relikt der Vergangenheit. Auch der Versuch, den Geisterjägern neues Leben einzuhauchen, schlug mit der 1997 veröffentlichten Zeichentrickserie EXTREME GHOSTBUSTERS fehl. Die Welt hatte sich weitergedreht und das Interesse an den Geisterjägern schien weniger geworden zu sein.
In den Jahren danach gab es weitere gescheiterte Versuche, einen weiteren Film zu realisieren. Ein erstes, neues Lebenszeichen setzte dann 2009, zum 25. Jubiläum des ersten Films, das Videospiel GHOSTBUSTERS – THE VIDEO GAME. Nicht nur basierte die Geschichte des Spiels auf dem Drehbuch, welches Dan Aykroyd bereits Anfang der 90er geschrieben hatte, auch kamen alle Hauptdarsteller zurück, um ihren Figuren im Spiel die Stimme zu leihen. Das Spiel verkaufte sich gut und plötzlich gab es bei Sony wieder Interesse an den Geisterjägern. Weitere Drehbücher und Ideen für einen neuen Film machten die Runde, doch alles kam zu einem aprupten Halt mit dem Tod von Darsteller und Co-Autor Harold Ramis 2014.
Doch schnell wurde die Entscheidung gefällt, auch ohne Ramis weiterzumachen. Die Idee, eine neue Truppe einzuführen, denen die alten Geisterjäger sozusagen ihr Geschäft anvertrauen, wurde verworfen zugunsten eines kompletten Neuanfangs. Das Ergebnis war 2016 der kontrovers aufgenommene GHOSTBUSTERS: ANSWER THE CALL, der aus den Geisterjägern vier Frauen machte und somit schon im Vorfeld für einen Sturm der Entrüstung in den sozialen Medien sorgte. Der Film polarisiert sehr stark. Für mich ist er leider nichts weiter als ein schnell heruntergekurbelter Cash-In-Versuch des Studios, der als Film durch die größtenteils furchtbare Improv-Comedy und nerviges Product Placement ebenfalls nicht sonderlich gut funktioniert. Dazu war er mit fast 150 Millionen Dollar Budget sündhaft teuer, was insgesamt in einem Flop endete. Das GHOSTBUSTERS-Franchise schien wieder tot zu sein, noch bevor es richtig wiederbelebt wurde.
Doch die bei Sony speziell für neue Geisterjäger-Geschichten gegründete Abteilung „Ghost Corps“, die unter anderem von Ivan Reitman, Regisseur der ersten beiden Filme, repräsentiert wird, gab sogleich die Arbeit an weiteren GHOSTBUSTERS-Projekten bekannt. Unter anderem sollte ein Animationsfilm entwickelt werden. Selbst Dan Aykroyd distanzierte sich später vom 2016er Film. Aber dann kam die Nostalgiewelle dazwischen. Wäre ein Film mit der alten Garde nicht doch noch eine gute Idee?
Hier kam nun Jason Reitman ins Spiel, Sohn von Ivan Reitman und seines Zeichens ebenfalls erfolgreicher Regisseur, der als Kind bereits einen kurzen Auftritt in GHOSTBUSTERS II absolvieren durfte. Man entwickelte nun eine Geschichte, die den 2016er Film völlig ausser Acht lässt und direkt an die ersten beiden Filme anschliesst.
Die arbeitslose Callie muss mit ihren Kindern Phoebe und Trevor aus ihrer Wohnung in Chicago ausziehen. Ihr Vater, mit dem sie kein gutes Verhältnis hatte, ist gestorben und hat ihr seine Farm in der Kleinstadt Summerville, Oklahoma hinterlassen. Dort angekommen finden sie eine ziemliche Bruchbude vor. Nur ihre Tochter Phoebe bemerkt schnell, dass es hier mehr zu entdecken gibt. Nicht nur verfügt die Farm über eine unterirdische Anlage, in der allerlei seltsame Geräte gelagert werden, auch scheint es eine geisterhafte Präsenz im Haus zu geben, die mit Phoebe Kontakt aufnehmen will. Trevor findet im Schuppen, unter einem Tuch verborgen, das verrostete Ecto-1 und nun ist klar: Ihr Großvater war Geisterjäger Egon Spengler.
Schon bald gehen seltsame Dinge in der Stadt vor sich. Immer wieder gibt es Erdbeben und der Grund scheint die alte Shandor-Mine zu sein. Dort finden die Kinder, nun ergänzt um Lucky und Podcast, einen altertümlichen Tempel, der als Portal für die Wiederkehr der sumerischen Gottheit Gozer dienen soll. Ihr Großvater Egon hat also seine Geisterjäger-Freunde nicht im Stich gelassen, weil er verrückt geworden ist, sondern er wollte die Rückkehr Gozers mit allen Mitteln verhindern. Doch alleine können die Kinder es nicht schaffen und wen rufen sie dann?
Als Fan der ersten Stunde hat es mich gefreut, dass man GHOSTBUSTERS nach dem Flop des Reboots nicht einfach wieder hat sterben lassen. Doch wohin sollte es noch gehen? Die beiden Originale, sowie der 2016er-Film, sind im Grunde, von der Struktur her, die selben Filme. Bieten die Geisterjäger so wenig Potential? Ist ihre Welt so beschränkt, dass man nicht mehr machen kann, als überall Geister auftauchen zu lassen, während dann am Ende eine gigantische Version irgendeiner bekannten Figur oder eines bekannten Symbols auftaucht? Nun, die Zeichentrickserie THE REAL GHOSTBUSTERS, die von 1986 an viele Jahre lang erfolgreich lief, zeigte doch, was man mit den Geisterjägern alles anstellen kann. Es war auch klar, dass die alte Garde um Dan Aykroyd und Bill Murray mittlerweile einfach zu alt ist für einen weiteren Film.
Also ging man zur Idee zurück, eine neue Truppe einzuführen, die die Aufgaben der Weltrettung von den alten Geisterjägern übertragen bekommt. So konnte man auch die alten Geisterjäger in den Film holen und damit hoffentlich auch die alten Fans ins Kino. Ist das mit GHOSTBUSTERS: AFTERLIFE gelungen? Dazu sollte man sich vielleicht die Frage stellen, ob der Film als Film gut ist oder als GHOSTBUSTERS-Fortsetzung?
Der Film ist gespickt mit Anspielungen und Zitaten aus dem ersten Film. Vielerorts habe ich gelesen, dass der Eindruck entstanden ist, dass auch der zweite Film hier ignoriert wird. Tatsächlich ist die einzige Verbindung zu GHOSTBUSTERS II die, dass Ray immer noch seinen Buchladen „Ray’s Occult“ hat, den er bereits in GHOSTBUSTERS II führt. Doch hier kommen dann leider auch die Probleme. Der Film pickt sich einfach Anspielungen auf den ersten Film heraus, die unweigerlich zu Logikfehlern führen und eben nichts weiter sind als „Weisst du noch?“-Momente. So sieht man die bis zur Decke gestapelten Bücher aus dem Keller der Bibliothek in Egons Wohnzimmer, ohne, dass es dafür einen plausiblen Grund gibt. In Egons Jumpsuit findet sich das leere Papier des Schokoriegels, welches Peter ihm am Anfang von GHOSTBUSTERS mit den Worten „Du hast ihn dir verdient“ überreicht. Gut, es dürfte nicht exakt das Papier gewesen sein, da sie zu dem Zeitpunkt noch keine Geisterjäger waren und Egon das leere Papier sicherlich nicht all die Jahre in seinem Jumpsuit aufgehoben hat. Aber das sind nur zwei Beispiele, bei denen diese Anspielungen einfach keinen wirklichen Sinn ergeben. Hier soll der alte Fan einfach nur ein Seufzen der Verzückung von sich geben und nicht weiter darüber nachdenken.
Der Film startet durchaus atmosphärisch bei Nacht in Summerville. Ein Mann, der anhand seiner Silhouette unschwer als Egon Spengler zu identifizieren ist, rast mit seinem Pick-up-Truck von der Mine zu seiner Farm, um dort eine Falle für einen mächtigen Geist zu aktivieren. Doch die Falle versagt und Egon wird von der dämonischen Präsenz getötet. Auch der weitere Verlauf, in dem Phoebe nach und nach hinter das Geheimnis ihres Großvaters kommt, sind unterhaltsam geschrieben und inszeniert. Doch das letzte Drittel wiederholt dann im Grunde nur das letzte Drittel des Originals. Warum musste es wieder Gozer sein? Taucht er hier doch nach dem Original und dem Videospiel nun zum dritten Mal als Antagonist auf. Hätte man sich keine andere Geschichte und einen neuen Bösewicht überlegen können? Das alles dürfte der Nostalgiewelle geschuldet sein. Die Leute wollen einfach nur das sehen, was sie seit ihrer Kindheit schon kennen.
Auch andere alte Bekannte tauchen wieder auf. Annie Potts ist als Janine Melnitz wieder zu sehen, der Marshmallow-Mann kommt hier gleich mehrfach als Mini-Ausgabe zum Zuge und ein Geist, den es damals in den 80ern als Spielzeug gab, wirft ebenfalls kurz ein Auge auf den neuen Film.
Vorsicht, Spoiler!
Und natürlich tauchen am Ende auch die drei noch lebenden Geisterjäger wieder auf, um den Tag zu retten. Was ein wenig die Geschichte von Phoebe schwächt, die so gekämpft hat, um das Erbe ihres Großvaters weiterzuführen. Am Ende braucht sie dann doch die Hilfe der alten Garde, um die Gefahr abzuwenden. Und auch hier stellt man sich Fragen wie: Warum tauchen die Geisterjäger in ihren alten Jumpsuits auf? Haben sie die all die Jahre behalten, obwohl sie nicht mehr als Geisterjäger tätig waren? Woher haben sie die Proton Packs? Ray erzählt Phoebe am Telefon, dass Egon alles mitgenommen hat, als er auf die Farm ging. Vor allem: Warum tauchen sie auf? Es gab nur diesen kurzen Telefonanruf von Phoebe, die Ray gänzlich unbekannt ist. Wegen dem Gerede eines völlig fremden Kindes über Geister ruft Ray die alte Truppe wieder zusammen?
Und dann kommt natürlich noch das Unausweichliche: Harold Ramis wird als CGI-Geist in den Film eingebaut. Nicht nur kurz, es gibt eine ganze Szene, in der er Phoebe hilft, den Strahler auf das Ziel zu fokussieren und am Ende bekommen Callie und auch die drei anderen Geisterjäger noch ihren gebührenden Abschied von ihrem alten Freund Egon. Ich bin immer noch unentschlossen, ob ich das nicht für „too much“ halte. Die Idee, Egon als geisterhafte Entität auf der Farm spuken zu lassen, die Phoebe dabei hilft, das Puzzle zusammenzufügen, finde ich nicht verkehrt. So baut man den verstorbenen Harold Ramis in die Geschichte ein, ohne ihn zeigen zu müssen. Kleine Randnotiz: Es gibt auch eine Folge der REAL GHOSTBUSTERS, in der Egon stirbt und die anderen Geisterjäger seine Seele wieder zurückholen müssen.
Spoiler Ende!
Auch der Soundtrack stimmt in den Nostalgie-Chor mit ein. Komponist Rob Simonsen bedient sich der Themen von Elmer Bernstein aus dem ersten Film, übernimmt teilweise sogar ganze Passagen davon. Dadurch gibt es auch ein Wiederhören mit dem Ondes Martenot, einem Instrument, welches vom Klang her einem Theremin ähnelt und welches Elmer Bernstein damals gerne in seinen Scores verwendete. Doch in GHOSTBUSTERS passt dieser geisterhafte Klang des Ondes Martenot einfach wie die Faust aufs Auge. Im Grunde wirkt Simonsens Score wie eine einfache Erweiterung des Bernstein-Scores. Ob das jetzt gut oder schlecht ist, muss jeder für sich entscheiden. Es ist auf jeden Fall ein fast schon altmodischer Score, wie er heute praktisch nicht mehr in Blockbustern auftaucht. Er ist reich an Themen, tollen Variationen des Bernstein-Materials und verliert sich nie in sonorem Sound Design. Er wertet auch den Film deutlich auf und lässt ihn noch mehr wie einen Film aus den 80ern wirken.
Das Soundtrack-Album ist digital und als CD erschienen.
Der Film ist im Grunde also in weiten Teilen eine reine Nostalgieveranstaltung für alte Fans. Gleichzeitig richtet sich der Film aber auch an ein junges Publikum, um eine neue Generation von Fans für sich zu gewinnen. Das in Kombination führt natürlich unweigerlich zu einem Vergleich mit STRANGER THINGS. Finn Wolfhard ist nicht nur in beidem zu sehen, auch tragen die Kids in der zweiten Staffel von STRANGER THINGS die Geisterjäger-Kostüme zu Halloween. Nichtsdestotrotz hat mir der Film gut gefallen. Warum? Weil er einfach ein Herz hat. Das kann man nicht von vielen Remakes/Reboots behaupten.
Ist er also ein guter Film? Ich sage Ja. Ist es eine gute GHOSTBUSTERS-Fortsetzung? Hier kann ich leider kein klares Ja geben. Was den ersten GHOSTBUSTERS auch ausmacht, ist dieser Zynismus, dieser trockene Humor. Im Grunde steht GHOSTBUSTERS: AFTERLIFE für alles, über was sich der alte Film lustig macht: Dieses Suhlen in Nostalgie und dass früher doch alles besser war. Es gibt zwei Post-Credit-Szenen in GHOSTBUSTERS: AFTERLIFE und die zweite gibt zumindest einen Hinweis darauf, wie man eine Fortsetzung ebenfalls hätte angehen können. Venkman geht es im Original hauptsächlich darum, reich und berühmt zu werden. Das Geisterjagen ist eben der Job, um das zu erreichen. So sieht er ja auch schon die Dollarzeichen in den Augen, als er Ray erzählt, dass die Lizenzrechte alleine sie schon reich machen würden. Warum also nicht das weiter verfolgen? Warum sind die alten Geisterjäger im neuen Film also nicht einfach Geschäftsleute, die ihre Idee weiterverkauft haben und nun gibt es hunderte oder gar tausende Geisterjäger-Truppen in den USA oder auf der ganzen Welt? Und dann passiert etwas, weil die Truppen den Aufstand proben, wegen schlechter Bezahlung oder was auch immer, und läuten damit die Apokalypse ein. Das wäre genau dieser Zynismus, der im Original vorherrscht. Vielleicht bringen es die Jungs vom YouTube-Kanal „Red Letter Media“ am besten auf den Punkt: GHOSTBUSTERS: AFTERLIFE ist kein Film für GHOSTBUSTERS-Fans, sondern für Leute, die es lieben, GHOSTBUSTERS zu lieben.“
Alles in Allem klingt mein Review wohl negativer, als es gemeint ist. Lasse ich die ganze Nostalgie mal aussen vor, dann steht da immer noch ein gut gemachter Film, der mich durchaus unterhalten hat und ja, der mich hier und da auch verzückt seufzen ließ. Etwas schade ist, dass im Grunde nur McKenna Grace als Phoebe vollends zu überzeugen weiß, während der Rest der Charaktere eher wie Staffage für Handlungspunkte wirkt. So scheint der deutsche Titel des Films, GHOSTBUSTERS: LEGACY, fast schon besser zu passen, als der originale Titel. Der Film zelebriert das Vermächtnis der Geisterjäger in Form von Egon Spengler, fügt dem Franchise aber nicht viel Neues hinzu. Die Fans scheint das aber nicht zu stören. Während Kritiker den Film eher mit gemischten Gefühlen sehen, kommt er beim Publikum hervorragend an. Auch das Einspielergebnis ist bisher sehr zufriedenstellend, besonders natürlich unter den momentanen Umständen der Corona-Pandemie. So stehen die Chancen zumindest nicht schlecht, dass wir die neue Truppe in zumindest einem weiteren Film sehen werden. Nur leider trüben andere Nachrichten aus dem Umfeld die Freude daran etwas. Jason Reitman sprach in einem Interview darüber, dass für einen eventuell nächsten Film „Vigo, der Karpathe“ aus GHOSTBUSTERS II wieder auftauchen könnte. Einen weiteren Ritt auf der „Weisst du noch?“-Welle brauche ich dann aber auch nicht.