Kommt jetzt öfter – DEADPOOL

Quelle: amazon.com

Was lange währt, wird endlich gut. So oder so ähnlich könnte man den Werdegang des Filmes „Deadpool“ beschreiben. Bereits 2004 gab es erste Pläne, den Stoff zu verfilmen, weit vor der großen Marvel-Welle, die einige Jahre später einsetzte. Für die Regie war David S. Goyer vorgesehen, der als Autor und Produzent bis heute diverse Comic-Verfilmungen betreut hat, wie „Blade II“ oder auch Christopher Nolans „Batman Begins“ und „The Dark Knight“, aber auch „Man of Steel“. Von Beginn an war Ryan Reynolds für die Hauptrolle vorgesehen. Durch die etwas vertrackte Vertragssituation mit den Marvel Studios geriet das Projekt ins Stocken und David S. Goyer sprang von dem Projekt ab, um sich anderen Filmen zu widmen.

2005 dann kam 20th Century Fox ins Spiel, die schliesslich die Filmrechte erwarben. Das Projekt befand sich danach noch lange in der Entwicklungsphase, bevor 2010 das erste Drehbuch geschrieben wurde. Der Regie-Posten wurde Robert Rodriguez („Desperado“, From Dusk Till Dawn“, „Sin City“) angeboten, der aber aufgrund seines eigenen Filmes, dem vierten Teil der „Spy Kids“-Reihe, absagen musste. Doch die Dreharbeiten verzögerten sich weiter. 2011 dann wurde Tim Miller für die Regie verpflichtet, der bisher Creative Director war und mit „Deadpool“ sein Regie-Debüt geben würde. Der Weg für den Start der Dreharbeiten schien nun frei zu sein. Doch im Sommer 2011 floppte der ebenfalls mit Ryan Reynolds in der Hauptrolle besetzte Comic-Film „Green Lantern“ und das Studio Fox bekam Zweifel am Projekt „Deadpool“.

Dennoch fanden 2012 Testaufnahmen mit Reynolds als Deadpool statt, die 2014 ins Internet gelangten. Die Resonanz war gewaltig und auch sehr positiv, weshalb das Studio sich dann im weiteren Verlauf des Jahres doch dazu entschied, den Film zu produzieren. Das Budget wurde mit knapp 50 Millionen Dollar angesetzt, 58 Millionen sind es schliesslich geworden. Damit ging das Studio auf Nummer sicher, da so die Gewinnwarscheinlichkeit höher war. Zum Vergleich: Die beiden „Avengers“-Filme kosteten beispielsweise je fast drei Mal so viel.

Dazu ist „Deadpool“ zwar eine Marvel-Verfilmung, aber kein Marvel-Film. Die Marvel-Studios besitzen, so kurios das klingt, nicht alle Filmrechte an ihren eigenen Figuren. Das kommt daher, dass Marvel erst vor einigen Jahren ins Filmgeschäft eingestiegen ist, aber verschiedene Filmrechte an ihren Figuren bereits vorher verkauft wurden. Darunter eben Deadpool, aber beispielsweise auch Spider-Man, weshalb letzterer bisher auch nicht bei den Avengers in Erscheinung trat. Deshalb drehte Sony Pictures bereits ein Remake, beziehungsweise Reboot, ihres eigenen „Spider-Man“-Filmes von 2002, um die Rechte an der Figur behalten zu können. Diese wären an Marvel zurück gefallen, wenn innerhalb einer bestimmten Zeitspanne kein Film produziert worden wäre. Mittlerweile hat Marvel allerdings die Rechte zurückerworben und so wird Spider-Man zukünftig in Marvel-Filmen auftauchen, Gerüchten zufolge bereits im nächsten „Captain America“-Film „Civil War“.

Ähnlich verhält es sich mit den „Fantastic Four“. Die Filmrechte liegen bei 20th Century Fox und diese produzierten bereits zwei recht erfolgreiche Verfilmungen. Bei Fans haben die Filme allerdings einen schweren Stand. Nachdem die Marvel-Welle ins Rollen gekommen war, entschied sich Fox, auch die „Fantastic Four“ wieder als Film aufleben zu lassen. 2015 war es soweit, der Film erwies sich aber als bitterer kommerzieller und künstlerischer Flop. Wohl auch deshalb war das Studio zurückhaltend, was das Budget von „Deadpool“ anging.

Ryan Reynolds, der die Rolle des Wade Wilson/Deadpool bereits im ersten „Wolverine“-Film verkörperte, setzte sich stark für das Projekt ein. Er fungierte schliesslich auch als Produzent und sorgte mit dafür, dass der Film der Figur des Deadpool gerecht werden sollte. Dazu gehörte auch eine Portion Gewalt, die in den Marvel-Filmen normalerweise kind- und jugendgerecht gezeigt wird. Der Film „Deadpool“ sollte aber expliziter in seinen Gewalt-Darstellungen sein und so bekam der Film schliesslich in den USA ein R-Rating, was bei uns einer FSK-18-Freigabe entspricht. In den deutschen Kinos startete „Deadpool“ ungekürzt mit einer FSK-16-Freigabe.

Wade Wilson ist ein etwas prolliges Ex-Special-Forces-Mitglied, der sein Geld als eine Art Söldner verdient. In einer Bar trifft er Vanessa Carlysle, gespielt von Morena Baccarin („Homeland“) und die beiden verlieben sich ineinander. Einige Zeit später erfährt Wilson, dass er Krebs im Endstadion hat. Er trifft einen geheimnisvollen Anzugträger, der ihm eine Heilmethode für seine Krankheit verspricht. Als Wade sich darauf einlässt, stellt er zu spät fest, dass seine „Heilung“ einen hohen Preis hat. Die Behandlung beinhaltet das Verabreichen eines Serums, welches die Körperzellen zur Mutation anregen soll. Dazu wird sein Körper ständigem Stress ausgesetzt, meist sind es gnadenlose Foltermethoden. Als sein Körper endlich mutiert, verändert sich auch sein Äusseres. Entstellt wie ein Brandopfer traut er sich nicht, seiner großen Liebe Vanessa unter die Augen zu treten und macht sich daran, seinen Peiniger zu finden, um die Mutation rückgängig zu machen.

Wie im Comic ist sich Deadpool im Film jederzeit bewusst, dass er ein fiktiver Charakter ist. Er spielt mit den Genre-Konventionen und durchbricht auch immer wieder die „Vierte Wand“, er spricht also mit dem Zuschauer. Im Grunde ist jede Figur im Film eine Parodie ihrer selbst. Der Film nimmt sich selbst nicht ernst und zieht so ziemlich jedes Superheldenfilm-Klischee durch den Kakao. Dazu lässt Deadpool am laufenden Band Sprüche und Gags ab, die meist aus dem sexuellen Bereich stammen oder sich einfach um sein Geschlechtsteil drehen. Auch die Marketing-Kampagne war darauf ausgelegt, mit Sprüchen wie „Deadpool – Kommt früher als du denkst“. Das ist zugleich Stärke und Schwäche des Filmes.

Leider verlässt sich der Film fast ausschliesslich auf seinen sprücheklopfenden Helden. Die Handlung ist relativ simpel und nicht sonderlich interessant. Sehr stark fühlte ich mich dabei an Sam Raimis „Darkman“ erinnert, in dem ebenfalls ein entstellter Anti-Held seine Peiniger jagt, sich nicht traut, seiner Freundin entstellt unter die Augen zu treten und diese am Ende aus den Klauen des Oberbösewichts befreien muss. Spannend ist „Deadpool“ eigentlich nicht, dafür ist die Handlung zu vorhersehbar, er verlässt sich ganz auf seinen Unterhaltungsfaktor. Damit steht und fällt der ganze Film. Wer also kein Faible für eher pubertären Humor hat, dem dürfte es schwer fallen, an „Deadpool“ gefallen zu finden.

Das Spiel mit den Klischees hilft dem Film auch nicht sonderlich am Ende. Deadpool selbst ist die einzige Figur, die so etwas wie eine Entwicklung durchmacht, während die anderen Charaktere in ihrer Selbstparodie verharren und im Endeffekt nichts weiter als Stichwortgeber und Schießbudenfiguren sind. Auf den ersten Blick sind die Frauenrollen im Film ebenfalls eher ungewöhnlich. Sie sind keine Opfer, die gerettet werden müssen, selbst Wades Freundin Vanessa ist im Angesicht der Gefahr um keinen Kinnhaken verlegen. Letztendlich ist sie aber auch nur ein „eye candy“, welches möglichst knapp bekleidet durch’s Bild läuft. Wade und Vanessa haben auch so eine Art Wettbewerb, wer von ihnen das schlechtere Leben hat. Da musste ich an den berühmten „Four Yorkshiremen“-Sketch von Monty Python denken, in dem vier edel gekleidete Männer sich darin zu überbieten versuchen, wer das schlechtere Leben hatte als Kind.

Ein wenig kam da auch die Szene aus „Lethal Weapon III“ in Erinnerung, als Mel Gibson und Rene Russo sich gegenseitig ihre Narben zeigen, um damit zu beweisen, wer der härtere Hund ist.

Auch die Verwendung alter 80er-Jahre-Hits wie „Careless Whisper“ erscheint seltsam schal, da es seit „Guardians of the Galaxy“ scheinbar zum guten Ton gehört, beziehungsweise als cool empfunden wird, die 70er und 80er Jahre musikalisch wieder aufleben zu lassen.

Den Score zum Film schrieb Tom Holkenborg, besser bekannt als Junkie XL. Holkenborg machte vor einigen Jahren mit seinem Remix des Elvis-Songs „A little less conversation“ auf sich aufmerksam und arbeitete in den letzten Jahren häufig mit Hans Zimmer zusammen. So war er am Score zu „Spider-Man: Rise of Electro“ beteiligt und schrieb nun auch mit Zimmer die Musik zu „Batman v Superman: Dawn of Justice“. Ausserdem komponierte er im letzten Jahr unter anderem die Musik zu „Mad Max: Fury Road“. Seine Musik für „Deadpool“ steht allerdings deutlich hinter den Songs zurück. Auffällig im Film war eigentlich nur ein sanftes Synthie-Stück, welches meist die romantischen Szenen zwischen Vanessa und Wade untermalt. Ansonsten verliert sich seine Musik im Krawall, bei den Actionmomenten ist mir allerdings ausser generischer Drum-Loop-Begleitung auch nichts Großartiges aufgefallen. Ein Soundtrack-Album, welches sowohl die Songs, als auch den Score von Holkenborg enthält, ist bei Milan Records erschienen.

Quelle: Amazon.de

Das clevere Marketing zeigt Wirkung. Weltweit hat der Film bereits fast 530 Millionen Dollar eingespielt und damit sogar die X-Men-Filme hinter sich gelassen. Inhaltlich ist der Film leider viel Schall und Rauch und nicht so cool und einzigartig, wie er gerne sein würde. Das R-Rating wird dabei gerne als Alleinstellungsmerkmal herangezogen und tatsächlich ist der Film bereits jetzt einer der erfolgreichsten R-Rated-Filme aller Zeiten. Allerdings waren bereits die „Kick-Ass“-Filme gewalttätige Comic-Helden-Filme mit schwarzem Humor oder auch die beiden Verfilmungen der Comic-Figur des „Punisher“, die ebenfalls wegen ihrer Gewalt nur für Erwachsene freigegeben sind. Dagegen wirkt „Deadpool“ im direkten Vergleich eher harmlos. Das R-Rating bezieht sich bei „Deadpool“ dann auch tatsächlich eher auf die Kraftausdrücke, denn auf die Gewalt. Was Superhelden-Gags unter der Gürtellinie angeht, kommt mir da auch noch „Orgazmo“ in den Sinn. Darin geht es um einen Amish-Jungen, der nach L.A. kommt, um Geld für seine Gemeinde aufzutreiben, dann aber als Hauptdarsteller in einem Superhelden-Porno endet. Geschrieben, produziert und inszeniert wurde der Film übrigens von „South Park“-Erfinder Trey Parker, der auch die Hauptrolle spielt.

„Deadpool“ ist kein Spektakel wie die „Avengers“-Filme. Hier geht es nicht um große Schlachten und epische Helden. Das will der Film auch gar nicht sein. Mit einer Laufzeit von 109 Minuten ist es sogar ganz angenehm, mal kein fast dreistündiges Superhelden-Epos zu sehen. Er ist so ein wenig die Hinterhof-Fanfilm-Version eines Marvel-Films, scheitert aber letztendlich an seinen Ambitionen. Wer also auf platten Humor am laufenden Band steht und dem Film dabei zusehen will, wie er genüsslich jedes Superheldenfilm-Klischee demontiert, dem sei „Deadpool“ ans Herz gelegt. Wem Schniedel-, Popo- und andere -Gags aus dem Genital-Bereich auf Dauer zu nervig sind und wer mit den Figuren auf der Leinwand mitfiebern will, der sollte sich lieber einen anderen Film aussuchen.

Hat euch „Deadpool“ angemacht oder macht ihr es euch lieber selbst? 😀

 

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